
Trotz zunehmenden Vorbehalten, das was Sonntags in Kirchen getan wird als Gottesdienst zu bezeichnen, stelle ich mich gerne der Frage nach gelungenem Gottesdienst.
Wann empfinden Sie einen Gottesdienst als gelungen?
Eine sonntägliche Feier, egal ob ich sie mitgestalte oder an ihr teilnehme, gibt mir ein beschwingtes Gefühl, wenn sie etwas aufschliesst: Wenn ich jemandem überraschend neu begegne, wenn mir jemand etwas Persönliches anvertraut, wenn ich jemandem etwas persönlich anvertrauen darf, oder wenn sich mir eine bisher unbeachtete Seite an mir selber oder an unserer Gemeinschaft neu erschliesst. Oder musikalisch gesprochen, wenn etwas in Resonanz gerät und zusammen klingt.
Gottesdienst ist für mich gelungen, wenn eine neue Verbindung entsteht und eine Verbindlichkeit, die über das Amen und den Schlusssegen hinausgeht.
Damit beginnt aber erst der eigentliche Gottesdienst, das was Gott an mir, Gott durch mich, oder ich für irgend ein Mitgeschöpf, oder was ich als Dank für Gottes Wirken als Ganzes täglich tue.
Und auf diesen Gottesdienst kann ich erst am Ende meines Lebens zurückblicken.
Ich bin hoffnungsvoll gestimmt, dass er gelingt.
Gottesdienst gestern
(von Jörn Heller)
Kirche stundenweise offen,
werktags in der Regel zu,
etwas Glaube, etwas Hoffen,
Liturgie mit Ich und Du,
blasse Predigt, abgelesen,
Ringbuchordner mit Talar,
viele Worte, fern vom Tresen,
Formelsprache, sonderbar,
Estomihi und Rogate,
meistens Orgel, jetzt Klavier,
Okkult und Jubilate,
Singen, Strophe eins bis vier,
hier und da ein Steuerzahler
nebst der Steuerzahlerin,
abgekündigt: „Fünfzig Taler
warn im Klingelbeutel drin!“,
Hinweis auf die Bastelkreise,
Spenden heut für Übersee,
frohe Botschaft für die Greise,
denn im Anschluss gibt’s Kaffee.
Gerne schliesse ich wieder an Ihr aufschlussreiches Vor-, Nach- und Querdenken an, Herr Pfeiffer.
Daraus mein Plädoyer:
AUF! Hören und denken wir radikal. Wir haben ein Wort (oder zwei): «GottesDienst». Lassen wir uns von ihm re-formieren.
SCHLUSS damit, dieses verdichtete Evangelium als «terminus technicus» (für Sonntagmorgengottesdienste) zu gebrauchen.
REICH stelle ich mir Kirche vor, wo wir dem Wort «Gottesdienst» neu lauschen und ihm, rundum, Entfaltung gewähren.
Gottesdienst wäre dann, was er, von Gott her, immer schon ist: alle Tage. Sonntags (oder anderweitig) würden wir ihn feiern, und dies auch klar so nennen:
„Gottesdienst Feier“.
Mir scheint, solches Re-formieren dürfte, müsste uns ablösen von Fragen nach gelingendem GottesDienst, wie auch von Fragen nach Auflösung (wie könnten wir?) von «Gottesdienst».
Wobei uns weiterführende Fragen ja nicht ausgehen sollten.
Danke für Ihr wunderbares Wort-Bild. Sie machen einen offenen Schluss mit einem Hinweis auf Fragen.
Das scheint mir ein wichtiger Schlüssel. Im Modul „Grundzüge der Religionspädagogik“, das ich im Rahmen von ModulAar katholischen und reformierten (meist) Frauen anbieten darf, betone ich zunehmend, dass es viel mehr darum geht, zu fragen und Fragen zu hören, als mit oft voreiligen Antworten Frage- und Suchprozesse vorzeitig zu beenden. Ich vermute einen Zusammenhang zwischen dem Trend, dass Kirche nicht mehr gefragt ist, und der Gewohnheit, Fragen mit einem Satz mit Punkt zu beantworten und fertig. Dabei wären Fragen beziehungsstiftend.
Wie könnte Gottes Dienst in Frageform gefeiert werden?
Lieber Herr Pfeiffer
Ich mache Sonntagsbesuch auf dem ref-blog. Da hängt noch Ihre Schlussfrage, von der ich nicht weiss, ob sie eigentlich auf Antwort wartet. So frage ich mal weiter. Ihre Frage „Wie könnte Gottes Dienst in Frageform gefeiert werden?“ – an wen richtet sich die Frage?
Die Frage geht an alle. Ich mache gute Erfahrungen mit Fragen, die geteilt werden, auch wenn die Antwort noch nicht parat ist.
Vielleicht hat jemand zündende Ideen?
Ich habe weder Antwort noch zündende Idee. Doch ich frage diesbezüglich mal beim betreffenden „-Dienst“ – in guter Hoffnung, dass man dort Bescheid weiss und wir von dort hören werden.
Ein herausfordernder Beitrag.
Zeigt die kaum auflösbare Spannung zwischen
A) Inspiration & Lebendigkeit, die sich [+/-] unplanbar ‚ereignen‘ & uns ergreifen &
B) institutionalisierten Anlässen & Gefässen, die im Kalender stehen, ab & zu mit Leben gefüllt, oft leider nicht…
Erlebnisse der Art von A) erkennen wir oft erst im Rückblick als Gnadenmomente, ganz im Sinn des ‚Lebens-GD‘, auf den Sie, Simon Pfeiffer, am Ende Ihres Lebens zurückblicken möchten 🙂
Was müsste wohl geschehen, dass diese Spannung fruchtbar wird?