
Verfasst von Britta Schönberger, Pfarrerin der Kirchgemeinde Würenlos
Die theologische Frage Wie begegne ich Gott und wie begegnet er mir?, stellt sich gerade dann, wenn die Gotteserfahrung in ihrer vertrauten Form vergeht.
Der Ruf nach Gott ertönt
_aus der Leere,
_der drohenden Verzweiflung,
_dem Gefühl der Verlorenheit.
Das alte Gottesbild vergeht im Wandel der Zeit, der Bewusstwerdungs-Raum öffnet sich für das kommende tragende Bild. Es entsteht eine Zwischenzeit der Ungewissheit. In sie hinein wirkt das Vermächtnis: Das Testament wird formuliert und prägt die neue Weise der Gottesverehrung.
Altes Testament:
Der erste Tempel, die heilige Stadt, sind zerstört.
Frage: Wo ist Gott,
_wenn er nicht mehr im Allerheiligsten aufscheinen kann?
Antwort: Er geht mit. Sein Ort ist dort, wo er sein Volk hört und sein Volk auf ihn. Das Heilige sinkt aus dem Licht ins Wort und in die Schrift.
Wo ist Gott? Er offenbart sich in der Heiligen Schrift. Die Menschen versammeln sich um die Thora. Gott spricht und wirkt durch seine Propheten. Gott ist grundsätzlich da: Ubiquität
Neues Testament:
Der Messias Gottes wird gekreuzigt.
Frage: Wann ist Gott,
_wenn die Lebenszeit zu Ende ist?
Antwort: Er stirbt und verlässt den Todes-Ort, um aufzuerstehen. Seine Zeit ist immer. Er lebt ewig. Die Erfüllung des Gotteswortes und -willens eröffnet die Weite.
Das Heilige wird unbegrenzt. Gott ist omnipräsent.
Reformation
Die Kirche als Institution verliert ihre vermittelnde Macht.
Frage: Wie kann ich Gott nah sein,
_wenn kein Priester zwischen mir und Gott vermittelt,
_wenn keine Mutter Gottes für mich eintritt,
_wenn kein Heiliger für mich bittet,
_wenn ich ihn nicht leiblich aufnehme…
Antwort: Sola gratia, sola fide, solus Christus. Du kannst direkt zu Christus sprechen, dein Vertrauen und deine Herzensneigung eröffnen den Begegnungsraum. Gott ist liebend.
Alle Glaubenden sind selbst Priester. Die Kirche ist die Versammlung der Gläubigen. Wo zwei oder drei versammelt sind, ist Gott bei ihnen. Die Gemeinschaft der Glaubenden ist der Raum der Gemeinschaft mit Gott. Das Heilige offenbart sich in der Nächstenliebe.
Heute
Die Kirche wird leerer. Menschen treten sogar aus. Die Gemeinschaft im städtischen Umfeld wird anonym.
Frage: Wie begegnet mir Gott,
_wenn ich allein bin ?
Antwort: Gott spricht in deinem inneren Dialog. Er lässt sich spüren, empfinden, erleben.
Das Heilige wird individuell auffindbar. Es braucht keine Versammlung von Vertrauten mehr. Man kann meditieren, beten im stillen Kämmerlein, pilgern, fasten, singen, tanzen…. Die Noch-Anwesenden teilen für eine Zeit diese Anbetungsform. Sie gehören im privaten Leben nicht zusammen. Gott begegnet mir nicht durch den anderen. Gott liebt direkt, auch menschenunabhängig.
Aber: Im Austausch mit anderen Menschen erfahre ich Bestätigung, Hinweise, Konfrontation, Perspektivenerweiterung, Korrektur, Ermutigung, Anteilnahme.
_Welche Formen bietet die Kirche als Institution an, damit ich unter anderen allein und persönlich mit Gott sein kann?
_Wie setzen Fremde ein persönliches Gespräch fort?
_Welche begleitende Rollen werden seitens der Kirche anbietbar?
Verfasst von Britta Schönberger, Pfarrerin der Kirchgemeinde Würenlos
Sprechen wir von der Jesusbewegung.
Diese war von Anfang an eine Weg-, Lebens- und Tischgemeinschaft mit einer Botschaft und einem lebendigen Zeugnis davon für die Menschen. Im Unterschied etwa zur Gemeinschaft der Essener hat sich die Jesusbewegung nicht von der «Welt» und den Menschen distanziert und abgegrenzt. Diese Jesusbewegung hatte einen verbindlichen Kernbestand, der schon von Jesus selber mit den 12 Aposteln als Führung strukturiert und organisiert wurde. Ebenfalls schon von Jesus selber angeregt hatte dieser innere Zirkel, die Urgemeinde, schon von Anfang an ein verbindliches, gottesdienstliches Zentrum im gemeinsamen «Gebet und Brechen des Brotes». Um diesen Kernbestand herum gab es ein Umfeld von mehr oder weniger treuen Anhängerinnen und Anhängern, die mit ihnen unterwegs waren und ein weiteres Umfeld von Interessierten und Sympathisanten. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang das Wort Jesu: «Wer nicht gegen uns ist, ist für uns».
An dieser Grundorientierung als verbindliche, progressive (wandernde), im gemeinsamen Gebet und Mahl verbundene, für seine Botschaft Zeugnis gebende Gemeinschaft ist festzuhalten. Das weitere Umfeld dieser Bewegung an mehr oder weniger Interessierten ist positiv zu werten. Das Ausgrenzen oder gar Verfolgen von irgendwelchen «Ketzern», Andersdenkenden oder Andershandelnden gehört nicht dazu. Es gibt Gegner, welche die Botschaft nicht hören wollen und das tätige Zeugnis verachten. Die distanzieren sich selbst.
Sprechen wir von der Kirche.
Die doktrinäre, schriftliche und wörtliche Festlegung des alleinseligmachenden, «richtigen» Glaubens und damit verbunden die Ausgrenzung, Inquisition und Verfolgung anders oder abweichend Glaubender war die Erfindung der mächtigen, dominanten Kirche, als sie Staatsreligion wurde. Diese Zeit ist vorbei.
Als Gemeinschaft, welche die Botschaft und das Zeugnis Jesu weiterträgt, muss sie ihr weiteres Umfeld an potentiell Interessierten und Sympathisanten positiv wahrnehmen und wertschätzen, ohne ihr Proprium deswegen aufzugeben. Die beiden Aspekte sind sogar untrennbar aufeinander angewiesen. Wie soll jemand mit einer Lebenshaltung oder einem tätigen Zeugnis sympathisieren können, von dem er oder sie nicht genau weiss, was es ist und wofür es steht? Diesem weiteren Umfeld muss der Zugang und das Verständnis ermöglicht werden. Die Kirche muss sowohl ihrem Proprium treu bleiben als auch alle unnötigen «Mauern», Schwellen, Zäune, unterscheidenden und ausgrenzenden Konventionen, Denkweisen und Reglemente abbauen und überwinden. Sie muss wieder neu von der Jesusbewegung lernen.
Klar und deutlich auf den Punkt gebracht.
Wie bieten wir an, was Menschen heute brauchen?
Zentrale und extrem spannende Frage: Wie setzen Fremde ein persönliches Gespräch fort? Vielleicht auch vor dem Hintergrund der Emmaus-Geschichte Lk 24.
Und wie bieten wir sichere Räume an, in denen verschiedenste individuelle Gott-Erfahrungen geteilt werden können?
danke für diese kleine kirchengeschichte, die nicht den beweis führt, aber der beweis ist für das, was in den letzten jahren an bedeutung gewonnen hat: kirche im internet oder, wie der heutige 20. mir zuflüstert, kirche 2.0. reformation war 1.0: alle konnten nun lesen. heute können sie auch schreiben. als ausserkantonaler darf ich das sagen: der blog der reformierten kirche aargau ist pionierarbeit. stephan jütte, der erfinder von diesseits.ch, reflab.ch und vielleicht auch evrefblog.ch/blog/: „wir haben bei ihnen abgeschaut.“
https://www.ref.ch/news/diesseits-von-eden-ein-neuer-blog-der-zuercher-kirche/ > die vorbilder