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Eine feste Burg ist unser Trott

ein altes Faxgerät
Behalten oder Entsorgen? Statt sich davon zu trennen, stehen viele überholte Dinge, wie dieses Faxgerät, eingestaubt, aber noch immer angeschaltet im Abstellraum.

Verfasst von Marc Zöllner und Claudia Daniel-Siebenmann, Prozessleitungsteam Kirchenreform

Als Jesus die zwölf Jünger aussendet (Lk 9, 1-6), sagt er zu ihnen «Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd!» Mittlerweile haben sich im kirchlichen Kontext zumeist deutlich mehr als zwei Hemden und zahlreiche Wanderstäbe angesammelt, die nicht immer stützen, sondern oft am Vorwärtskommen hindern. Um Raum zu schaffen für innovative, zukunftsgerichtete Projekte, muss anderes losgelassen werden.

Exnovation aktiv gestalten

Das Loslassen – oder Exnovation – ist ein strategischer Prozess, der genau wie Innovation sorgfältig geplant werden muss. Exnovation kann sich dabei auf Strukturen, Prozesse, Praktiken, Abläufe, Infrastruktur, Anlässe, Dienstleistungen, Arbeitsfelder, Zielgruppen, Standorte oder auf verfestigte Rollenbilder und Vorstellungen beziehen.

Aus der Unternehmensentwicklung ist bekannt, dass es oft besonders schwerfällt, sich von Dingen zu lösen, in die man bereits viele Ressourcen an Zeit, Geld oder Emotionen investiert hat. Wenn solche Dinge nicht mehr «funktionieren», tendieren Organisationen dazu, diese Dinge bzw. Strukturen durch die Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen zu stützen.

Im kirchlichen Kontext lässt sich dieses Phänomen ebenfalls beobachten, wenn beispielsweise Angebote, die kaum noch besucht werden, in der Folge noch intensiver beworben werden. Auf diese Weise wird versucht, eine nicht mehr existierende Nachfrage wiederzuerwecken, statt zu akzeptieren, dass die Zeit, in der das Angebot einem vorhandenen Bedürfnis entsprach, offensichtlich vorüber ist.

Alles hat seine Zeit

«Behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit», steht im Buch Kohelet (Koh 3,6b): Abschiede und Trauerprozesse zu begleiten, ist zwar eine Kernkompetenz der Kirche – doch sie selbst ist darin noch ungeübt. Die Auseinandersetzung mit dem Aufhören und Abschaffen ist mit Schmerz verbunden – gerade bei Dingen die Wert und emotionale Bedeutung haben bzw. hatten. Deshalb wird das Thema vor allem eines brauchen: Zeit zum Innehalten, zum Dankbarsein und Zeit, die Bedeutung der Dinge bei der Verabschiedung zu würdigen.

Für Exnovationsprozesse werden drei Phasen beschrieben:

  • Der erste Schritt ist eine Sensibilisierung für die Notwendigkeit, der das Problembewusstsein schärft und den Mut fördert.
  • Im zweiten Schritt werden konkrete Pläne geschmiedet, Entscheidungen getroffen Priorisierungen vorgenommen.
  • Der dritte Schritt ist das aktive Gestalten des Abschieds und die Begleitung von Widerständen und Abschiedsschmerz.

Exmove: Toolbox für Exnovation

midi, die evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung, hat Anfang Juni eine Toolbox für Exnovation bereitgestellt. Unter dem Namen Exmove stehen Methoden und Materialien für den kirchlichen Kontext bereit, die bei Prozessen der Klärung, des Abschieds und der Neuausrichtung unterstützen. Die exmove-Tools im pdf-Format umfassen über 75 kreative, praxiserprobte Methoden, ergänzt durch vorbereitete Workshop-Designs. Die Basisversion mit 21 Methoden ist frei zugänglich. Neben Methoden, die auch in der Unternehmensentwicklung angewendet werden, umfasst die Toolbox auch biblisch-theologische Reflexionen, Gebete und Andachten, die zeigen, dass Exnovation auch ein geistlicher Prozess ist, der sich in der liturgischen Begleitung und der spirituelle Praxis widerspiegelt.

Exnovation im Kirchenreformprozess

Im Aargauer Kirchenreformprozess sind im Laufe der nächsten Monate Workshops und Diskussionsanlässe vorgesehen, die sich der Frage widmen werden, was es im Rahmen der Kirchenreform wertschätzend zu verabschieden gilt. Als Vorbereitung und als ersten Schritt – der Sensibilisierung, um hinderliche Strukturen, unnötige Prozesse und veraltete Routinen zu erkennen – fragen wir daher hier: Welche Angebote, Arbeitsweisen, Produkte, Prozesse, Strukturen, Kultur, Haltungen sind im Kontext Ihrer Kirchgemeinde hinderlich oder überflüssig? Diskutieren Sie mit! Wo wäre Exnovation nötig?

Verfasst von Marc Zöllner und Claudia Daniel-Siebenmann, Prozessleitungsteam Kirchenreform

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

1 Kommentare

  1. „Exnovation kann sich. . .auf Strukturen, Prozesse, Praktiken, Abläufe, Infrastruktur, Anlässe, Dienstleistungen, Arbeitsfelder, Zielgruppen, Standorte oder auf verfestigte Rollenbilder und Vorstellungen beziehen.“ da vermisse ich die theologischen inhalte (die nicht unbedingt vorstellungen oder rollen sind), finde aber weiter unten, wo die toolbox „exmove“ vorgestellt wird „biblisch-theologische reflexionen“. wie ich dorthin gehe, wird gleich am anfang der testversion picasso zitiert: „jeder akt der schöpfung ist zuerst ein akt der zerstörung.“ „ich suche nicht, ich finde“, hat er auch gesagt. und da hat er gefunden. wenn das vollkommene kommt, wird das unvollkommene erkennen zerstört. (1kor 13.8ff) erneuert werden auch wir selbst, indem wir während des lebens sterben. (2kor 5.24.17) zwei alte, aber für die gegenwart innovative einsichten. jahwe ist der mann, der aus der ehe mit aschera übriggeblieben ist, und der keine andern neben sich duldet, insbesondere nicht sie. heute kam ich drauf, dass ich nochmal nachsehen sollte, wie das ist mit der weisheit, die jahwe bei der schöpfung gewissermassen berät. und tatsächlich: wenn es auch ein übersetzungsproblem gibt – er hat sie geschaffen, sogar geboren. (spr 8.22-26) der vater war in der damaligen gesellschaftsordnung das ein und alles. auch jesus verstand sich ganz und gar von seinem vater her. als er „die zwölf Jünger aussendet (Lk 9, 1-6), sagt er zu ihnen ‚Nehmt nichts mit auf den Weg, keinen Wanderstab und keine Vorratstasche, kein Brot, kein Geld und kein zweites Hemd!’“ mk 10:30 sagt er dann: „was ihr verlassen habt, habt ihr hundertfach.“ „gott lassen“, sagt meister eckhart, und: „so hast du ihn.“ ihn? nur die drei worte „alles in allem“ erscheinen mir als der vollkommene ausdruck der vollkommenheit. machen wir sie zu vier, indem wir eines voranstellen, wie paulus in 1kor 15.28, sind diese vier worte bereits wieder ein unvollkommener teil eines unvollkommenen erkennens. „möglichkeit ist zerstörung von wirklichkeit.“ (s. kierkegaard) eine feste burg ist unser tod. soweit wir während des lebens gestorben sind, ist der tod, der uns von anfang an berührt, mit uns gestorben, was uns lebendig macht, belebt, durchlebt, so dass wir zu prüfen vermögen, was das vollkommene ist, vollkommen geworden, wie unser himmlischer vater vollkommen ist – oder wie genau? nach einiger arbeit beim wäsche raufholen, all die neuen socken zusammenlegen, da wir uns ja auf die socken machen, beim ersten biss in einen apfel – vom baum der erkenntnis – kommt der gesuchte schluss bei mir an: und wenn nicht vollkommen, so doch vernünftig, und wenn nicht das vollkommene, so doch das logische. (mt 5.48, rm 12.1-2).

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