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Einheit in versöhnter Verschiedenheit

Gedenktafel auf dem Leuenberg BL
Gedenktafel auf dem Leuenberg BL

Fast 450 Jahre währte die Trennung der evangelischen Konfessionen in Europa – seit sich Luther und Zwingli über das Verständnis des Abendmahls stritten: Luther ging davon aus, dass Christus im Brot und im Wein real gegenwärtig ist. Die biblischen Worte «Nehmt und esst, dies ist mein Leib.» waren für ihn zentral. Der wahre Schatz des Abendmahls lag für ihn in der damit verbundenen Sündenvergebung. Gemäss Zwingli hingegen ist Christus allein in dem vom Heiligen Geist gewirkten Glauben gegenwärtig. Die biblischen Worte «Tut dies zu meinem Gedächtnis.» waren für ihn zentral. Der wahre Schatz des Abendmahls lag für ihn in der damit verbundenen Stiftung von Gemeinschaft. Der Streit ging über den Tod von Luther und Zwingli hinaus und führte dazu, dass 450 Jahre lang kein gemeinsames Abendmahl möglich war.

Diese Trennung wurde – nach einem längeren Prozess – am 16. März 1973 überwunden, als auf dem Leuenberg oberhalb von Liestal die Leuenberger Konkordie unterzeichnet wurde, mit der sich die evangelischen Kirchen Europas gegenseitige Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zusicherten. Zu den Streitpunkten beim Abendmahl konnte eine Formulierung gefunden werden, in der sich alle evangelischen Kirchen wiederfinden: die starke Fixierung auf die Elemente Brot und Wein wurde aufgebrochen. Zentral ist die personale Präsenz Christi im Abendmahl. Christus lädt uns ein. Das Abendmahl soll da nicht trennend sein. Grundlegend für die Kirchengemeinschaft ist das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, «dass die ausschliessliche Heilsmittlerschaft Jesu Christi die Mitte der Schrift und die Rechtfertigungsbotschaft als die Botschaft von der freien Gnade Gottes Massstab aller Verkündigung der Kirche ist.»

Aus der Geschichte lernen? Können wir aus der Kirchengeschichte etwas für unseren heutigen Kirchenreformprozess lernen? Was sind verbindende und verbindliche Grundlagen für unsere Kirche? Gibt es trennende Unterschiede oder sind das nur theologische Spitzfindigkeiten? Diskutieren Sie mit in den Kommentaren!

 

 

Für Kirchenratspräsident Christoph Weber Berg ist es zentral, dass wir mit unserem Handeln dem Wirken des Heiligen Geistes nicht im Weg stehen:

Einheit in versöhnter Verschiedenheit
In diesem Jahr feiern wir mit den evangelischen Kirchen reformierter, lutherischer und methodistischer Tradition in Europa den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Leuenberger Konkordie (siehe Seite 3). Diese Unterzeichnung ist für die evangelischen Kirchen das kirchengeschichtlich bedeutendste Ereignis seit der Reformation. Kirchen, die davor keine Abendmahlsgemeinschaft, kein gemeinsames Verständnis von Christologie und keine gegenseitige Anerkennung der Ordination kannten, haben sich entschieden, nicht länger auf das Trennende zu schauen, sondern primär das Verbindende zu suchen.

Gottes Geist und menschlicher Wille
Einheit in versöhnter Verschiedenheit ist seither viel mehr als ein Schlagwort. Es ist eine Willensäusserung zu gemeinsamem Kirche-Sein, eine bewusste Entscheidung, sich auf der Basis einer breit abgestützten Einigkeit wohlwollend und respektvoll auf das Anders-Sein der Anderen einzulassen: zuerst gemeinsam Kirche zu sein und dann über Unterschiede zu diskutieren. Gemeinschaft in Christus, Gemeinschaft im Hören auf das Wort, Gemeinschaft in der Feier des Abendmahls ist ohne Zweifel ein Geschenk Gottes, eine Wirkung des Heiligen Geistes. Aber es ist immer auch ein Willensakt von Menschen damit verbunden. Wo Menschen diese Gemeinschaft nicht wollen, wo sie Trennendes betonen und das Anders-Sein des Anderen verurteilen, da hat der Heilige Geist – etwas salopp ausgedrückt – einen schweren Stand. Jedenfalls musste er 450 Jahre lang wirken, bis die evangelischen Kirchenleitungen sich zu einem Konsens über das gemeinsame Kirche-Sein durchringen konnten.

Im Gespräch das Verbindende suchen
Wenn ich an unsere Kirchenreform im Aargau denke, so hoffe ich, dass Gottes Wille geschehe, «wie im Himmel – so im Aargau»: Dass der Heilige Geist nicht 450 Jahre – ja nicht einmal bis 2030 – wirken müsse, bis wir den vorbehaltlosen Willen aufbringen, gemeinsam Kirche zu sein als Mitglieder der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Aargau. Das heisst nicht, dass uns die Unterschiede in Frömmigkeitsstil, Theologie und Kirchenverständnis egal sein sollten. Im Gegenteil: es bedeutet, dass wir in gegenseitigem Respekt und im Vertrauen auf das gemeinsame Fundament über diese Unterschiede ins Gespräch kommen. Dass wir gemeinsam um die Wahrheit des Evangeliums ringen, ohne für uns zu behaupten, wir seien in ihrem Besitz. Genau darüber waren die Reformatoren gestolpert. Gemeinsames, respektvolles und wertschätzendes Ringen um eine Wahrheit, die sich nie vollkommen fassen lässt, ist ein Willensakt, der Geduld, Glaube, Hoffnung und Liebe erfordert. Ich bin gewiss, dass genau dann der Heilige Geist – wiederum etwas salopp gesagt – ein leichteres Spiel hat, wenn wir einander vertrauensvoll begegnen und den Glauben des Anderen anerkennend wertschätzen. Im Vertrauen auf das Wirken des Geistes können wir gemeinsam Kirche sein, bevor wir Kirche machen.

Verstehen wir doch die Reformschritte des Jahres 2023 als Feier der Leuenberger Konkordie. Unter dem Titel «Theologische Weiterarbeit» steht in Art.38 der Konkordie: «Das gemeinsame Verständnis des Evangeliums, auf dem die Kirchengemeinschaft beruht, muss weiter vertieft, am Zeugnis der Heiligen Schrift geprüft und ständig aktualisiert werden.» In dieser Tradition und in diesem Auftrag stehen wir, wenn wir gemeinsam Kirche sind und uns immer wieder neu darüber verständigen, was das in unserer Zeit bedeutet.
Christoph Weber-Berg, Kirchenratspräsident

 

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

1 Kommentare

  1. mein eindruck ist, dass der abendmahlsstreit sich gar nicht am abendmahl entzündet hat, sondern daran, dass zwingli irgendwo auch ein schöngeist war und luther irgendwo auch ein wüterich. „in ihrem höchsten stimmen die andern mit uns überein“, sagt zwingli. aus dem gedächtnis habe ich zitiert – ausser „in ihrem höchsten“, und schlage gleich vor zu sagen: „im elementarsten“. „die andern“, das sind die andern religionen und die nicht-religionen. damit ist auch gesagt: wir haben schon wieder verspätung! geht es um die frage: „welche art von gottesdienst passt zu Ihrer persönlichkeit?“ wie im letzten beitrag? überhaupt kein gottesdienst passt zu meiner perönlichkeit: ich will nicht buddhist*innen vereinnahmen, in deren ürprünglichen religion es keinen gott gibt. mich interessiert das es, das ihn gibt, nämlich all_es, worauf das neue testament nach meiner interpretaion von 1kor 15.28 hinausläuft. „wenn das vollkommene kommt“ (13.9-12), kann die wahrheit ganz erfasst werden. wenn es dann noch um eine erfassen geht, das, finde ich, im vollkommenen eine entsprechung hat. vollkommen erst, wenn das vollkommene vollkommen da ist. das vollkommene hat aber die eigenschaft, immer noch vollkommener zu werden. und es gibt auch heute ein mehr oder weniger vollständiges erkennen und erfassen. das vollständigere besteht aber nicht nur nicht in der beschränkung auf das erfassen und erkennen unserer konfession, sondern auch nicht in der beschränkung auf unserer religion. ich nehme an, dass ich nicht der einzige bin, der sich dafür nicht mehr interessiert, sondern dass es der grossen mehrzahl so ergeht, und darum die reform der kirsche (schöner verschreiber, fast wie redormation) 2023 das ist oder wäre, was die reformation und die konkordie nicht geschafft haben: ihre integration in ein umfassendere organisation. die proklamation der „ausschliesslichen heilsmittlerschaft jesu christi“ ist eine berechtigte abgrenzung gegen viel anderes, schliesst aber „die andern“ gerade aus – es sei denn christus wird verstanden als der, der bestimmten einzelnen oder gruppierungen gegenüber nach seinem zweitausendjährigen dialog mit allen andern die vereinigung von allem repräsentiert. mir gegenüber tritt er aber hinter sie einen schritt zurück. und ich glaube auch da einer grossen mehrzahl anzugehören, so dass meine äusserungen ausnahmsweise sogar einen marketingstrategischen effekt implizieren. 😉

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