
Neulich durfte ich eine Trauerfeier gestalten. In Absprache mit der Trauerfamilie verwendete ich in der Feier, die in einer Kirche stattfand weder Bibeltexte noch formulierte Gebete. Im Zentrum standen neben der Lebensgeschichte der verstorbenen Person Bücher und Filme, die ihr zeitlebens nahe waren. Ich wagte es sogar, das Unservater wegzulassen, das ich bisher in jeder kirchlichen Feier gemeinsam habe beten lassen. Die „Leerstelle“ leitete ich mit der Ankündigung ein, dass jetzt eigentlich ein Unservater kommen würde, ich es aber in eigenen Worten neu formuliere. Ich bat die Teilnehmenden um Feedback jeglicher Art nach der Feier.
Noch nie hatte ich nach einer kirchlichen Feier so viele inhaltliche Gespräche! Noch nie wurden mir nach einer selbst gestalteten Feier mehr persönliche Lebens- und Glaubensgeschichten erzählt. Ich bin immer noch überwältigt.
Menschen erzählten mir ihre Kirchenerlebnisse, ihre Lebensgeschichten und ihre Wünsche an die Kirche. Jemand klagte, dass bei ihnen in der Kirche mit Angst Druck gemacht werde, sie sich aber mehr Ermutigendes und Befreiendes wünschte.
Noch nie wurden mir nach einer von mir gestalteten Feier mehr persönliche Lebens- und Glaubensgeschichten erzählt.
Bloss eine Person kam zu mir und sagte, Bibeltexte und Unservater hätten ihr gefehlt. Allerdings war sie mit mir einig, dass wohl die wenigsten Menschen in der Kirche das Unservater von Herzen mitgesprochen hätten.
Die persönlichen Gedanken anstelle eines altbekannten Textes wurden von vielen geschätzt. Das macht mir Mut, mich wieder einmal auf die Äste hinauszuwagen – ganz nahe zu den vielen Menschen.
leider kann ich diese Erfahrung erst nachvollziehen, wenn ich den persönlichen Text/ die persönlichen Gedanken von Pfr. Pfeifer kennen lernen dürfte.
Die unmittelbare Verbindung von Auslassen des Unser Vater und der persönlichen Echos von Teilnehmenden scheint mir etwas kurzschlüssig. Es sind viele Aspekte der Gestaltung, die aus meiner Erfahrung die Teilnehmenden ansprechen lassen, beteiligen und persönlich ermutigen, auch zum Echo geben. Freuen Sie sich darüber, Ihre Gestaltung wurde wirksam in den Menschen. Ich denke, der Preis für das Preisgeben des VU, einer Schriftstelle, von Gebeten scheint mir viel zu hoch. Unsere Gesellschaft tendiert immer mehr dazu, ihr geistiges und spirituelles „Tafelsilber“ billig zu veräussern wie das Beispiel „darf Gott in einer Verfassung genannt werden?“ zeigt. Wie im Computer liegt der Papierkorb manchmal etwas zu nahe. A.Imhasly
jesus hat uns, indem er immer sagte „vater“ und nur „vater“, eine knacknuss hinterlassen. der vater, finde ich, kommt erst zu sich selbst durch seine vereinigung mit der mutter. wir sollten uns möglicherweise mit dem gedanken befreunden, dass kirchenreform auch jesuskritik heisst. die schöpfung geht aus der vereinigung von mutter und vater hervor. auch das ist noch – etwas weniger, aber doch auch noch – eine teilerkenntnis. sie ensteht aus der vereinigung von allem. zur kritik des papstes am „unser vater“, dass ein liebender vater uns nicht in versuchung führe, habe ich von gethsemane her eine umdichtung vorgeschlagen, die für unsere zeit und unseren blog von relevanz sein könnte: „führe uns nicht in versuchung, sondern erlöse uns von dem bösen. aber dein wille geschehe wie im himmel so auf erden.“ jesus sah, nehme ich an, nachts am ölberg in der grossen erleuchtung, in der wir leben, einen tief erleuchteten vater. davor habe ich grossen respekt.
Lieber Simon, ich lese deine Texte stets mit grossem Interesse, mit Freude und Gewinn. Aber diesmal habe ich Mühe. Es macht mich traurig, dass du Bibeltexte und Gebete (inkl. Unser Vater) anlässlich der besagten Abdankung weggelassen hast. Ich bin seit 44 Jahren (40 Jahre Pfarramt in Huttwil und Oberdiessbach – seit meiner Pensionierung 2018 Pfarrverweser in Hilterfingen, Walkringen, Thun-Stadt und jetzt Thun-Strättligen) als offener und volkskirchlicher Pfarrer unterwegs. Meine Abdankungen werden von Menschen quer durch unsere Landeskirche nach wie vor sehr geschätzt, gerade weil ich bete, einen tröstenden Text aus der Bibel lese und stets bei der Traueransprache ein Bibelwort mit dem Leben des/der Verstorbenen verbinde und so von der Bibel her etwas Hoffnungsvolles und Mutmachendes zum Leben „änedra“ sage. Wie hätte ich fast ein halbes Jahrhundert glücklich und erfüllt Gemeindepfarrer und 18 Jahre Notfallseelsorger der bern. Blaulichtorganisationen (Einsatzleiter des „Care Team Kanton Bern“) sein können, wenn ich nicht tief im Herzen den biblischen Gedanken mit mir getragen hätte „der Tod hat nicht das letzte Wort“. Trotz der Fragwürdigkeit deines Artikels grüsst dich ein bernischer Kollege froh Hans Zaugg
Lieber Hans
Danke für deine Gefühle und Gedanken. Ich kann das sehr gut nachfühlen. Du liest in meinem Text ja vor allem, was ich weggelassen habe. Was ich in der Feier gesagt und worauf ich angespielt habe, kann ich hier so nicht teilen. Damit, dass gewohnte Inhalte einer Trauerfeier nicht vorgekommen sind, haben die Teilnehmenden die offenen Räume selber aktiv gefüllt. Etwa die Stille anstelle eines Gebets mit eigenen Gedanken, vielleicht auch persönlichen Gebeten. Niemand konnte da sagen: „Ich bin in religiösen Belangen kein Experte. Pfarrer, sag du’s. Es wird schon recht sein.“ Eigene Gedankenarbeit und Anknüpfen bei eigenen Erlebnissen war gefordert.
Die Stimme, die Bibelzitate und Unservater vermisste, habe ich unmittelbar nach der Feier auch gehört und geschätzt. Sie wurde durch die vielen persönlichen Erlebnisschilderungen aber etwas relativiert, nicht aufgehoben. Dass so viele Menschen etwas persönlich anknüpfen und dann auch noch mitteilen, ist für mich eine Spur zum Wirken göttlicher Liebe und Freiheit. Das macht mir Mut bei Gelegenheit weiter zu experimentieren und mit Leerstellen, Stille, Vielleichts und Bitten um Rückmeldung.
Mein Weg ist aber nicht der deine. Schön, wenn sich unsere Wege hie und da berühren oder kreuzen.
Lieber Simon,
eben bin ich von einer grossen Abdankung nach Hause gekommen (mit vielen guten Feedbacks) und habe deine Antwort an mich gelesen. Vielen Dank für deine achtsamen Worte und Gedanken, die ich respektiere. Deine Art ist in dieser einen Sache nicht meine Art. So vielfältig darf und soll unsere Volks- resp. Landeskirche sein.
Ich freue mich auf weitere Artikel von dir, die mich meistens sehr ansprechen. Du sprichst Dinge in unserer Kirche an, die hinterfragt werden müssen. Und das ist gut so. Ich wünsche dir weiterhin guten Mut und Profil bei deiner Schreibarbeit! Sie wird bestimmt von vielen Leuten gelesen und geschätzt.
Frohe Grüsse Hans Zaugg, Pfarrer in der KG Thun-Strättligen