Wir haben Fragen an den Gottesdienst und an Sie: Neue Gottesdienstformen wurden von den Arbeitsgruppen der Kirchenreform als Bedürfnis erkannt. Doch was macht einen guten Gottesdienst überhaupt aus? Diskutieren Sie mit! Wir freuen uns auf Ihre Kommentare.
- Gibt es einen Gottesdienst, den Sie in besonders guter Erinnerung haben? Falls ja, aus welchem Grund?
- Gibt es einen Gottesdienst, der Sie überrascht hat?
- Wann empfinden Sie einen Gottesdienst als gelungen?
- Müssen Gottesdienste schön sein? Wenn ja, wann ist ein Gottesdienst schön?
- Was empfinden Sie in einem Gottesdienst als störend?
Die hier gestellten Fragen haben wir von Bernd Berger und Matthias Zeindler aus dem Mitarbeitendenmagazin «Ensemble» der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn vom August 2022 übernommen.
Für Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg gibt es nicht nur einen besonderen Gottesdienst:
„Ein Gottesdienst, der mir in besonders guter Erinnerung ist? Die Frage löst einen ganzen Reigen von Assoziationen aus: der letzte Synodegottesdienst in Aarau kommt zuerst, dann Heiligabend in Rupperswil, weit vorne der Chleeblattgottesdienst vor einigen Jahren in Rued, für mich als Bluesliebhaber ein Bluesgottesdienst in der Wasserkirche Zürich, ein Jazz-Gottesdienst vor vielen Jahren in New York, Kantatengottesdienste in Lenzburg – aber auch ganz «gewöhnliche» Sonntagsgottesdienste, an denen ich teilnehmen, oder die ich selbst leiten durfte. Dann Konfirmationen, Ordinationen, Beauftragungen, Reformationssonntage, Festgottesdienste, ökumenische Feiern, ein Fernsehgottesdienst.
Gab es einen Gottesdienst, der alle anderen überragte? Ich kann es nicht sagen. Viele Gottesdienste sind mir in guter Erinnerung. Ein bunter Strauss, vielfältig wie unsere Kirche insgesamt. Manchmal sind es auch Gefühle oder visuelle Eindrücke, die hängen geblieben sind: Ein besonders schöner Lichteinfall durch die Hoffmann-Fenster in den Chor-Raum der Stadtkirche Aarau. Oder in Nussbaumen: ein Sonnenstrahl, der durch die Fenster über dem Chor-Bereich den Backsteinbogen warm beleuchtet und einen symbolischen Hoffnungsakzent setzt, während in der Fürbitte an die vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine gedacht wird.
Gibt es etwas, was all diesen Gottesdiensten gemeinsam ist? Am nächsten kommt wohl die Feststellung, dass es diejenigen Feiern sind, in denen ich mich selbst für einige Augenblicke ganz vergessen konnte. Wenn ich ins Staunen kam, ganz im Hören versank und wenn aus dem Zuschauen unvermittelt ein Teilnehmen wurde. Wenn ein Gebet mich einfach mitnahm, wenn die Gedanken einer Predigt mich in den Bann zogen, und wenn die Musik mich berührte oder die Menschen, die den Gottesdienst gestalteten.
So würde ich auch die Frage nach einem gelungenen Gottesdienst beantworten: Wo Gottes Wort gehört, wo gebetet, gesungen und musiziert wird und Menschen sich dabei selbst vergessen, da sind sie Gott besonders nah. Ein Rezept dafür gibt es nicht. Der Geist weht da, wo ER will. Er weht um uns, mit uns und durch uns, wenn sich täglich und wöchentlich ganz viele Menschen in unserer Kirche, Ehrenamtliche und Mitarbeitende, dafür engagieren, dass Momente selbstvergessener Gottesnähe entstehen können. Wo Menschen im Namen von Jesus Christus versammelt sind, da ist er selbst mitten unter ihnen. Mit diesem ermutigenden Zuspruch aus Matthäus 18,20 möchte ich Ihnen von Herzen für Ihr Engagement danken.“
Christoph Weber-Berg, Kirchenratspräsident
Gottesdienst – wovon ist hier konkret die Rede?
Gottesdienst – für mich wortwörtlich und grundsätzlich Gottes Dienst am Leben.
Daraus: Zugewandtes Leben im Miteinander und Gegenüber (auch der Schöpfung).
(Sonntägliche) Gottesdienstfeier gerne: Gottes Dienst vielsinnig „schmecken“, verdanken und feiern. Leben teilen, reflektieren, das eigene auch mal revidieren (lassen), erfrischt und ermutigt weiter gehen.
Das gefällt mir sehr: Gottes Dienst am Leben.
Und unseren Dank dazu feiern am Sonntag, unsere Freuden und Leiden teilen.
In der Aussprache hat da Gottes Dienst eine kleine Pause in der Mitte, quasi eine Leerstelle, die viel Platz bietet.
Eine ähnliche Pause könnten wir uns angewöhnen bei Jesus (als) Christus…
Innehalten, Luft holen, sich dehnen lassen…
Gefällt mir auch. So bleibe ich beim vorgelegten (Sprach-)Bild und dehne:
– Leerstelle vor „Jesus“
– Leerstelle zwischen „Jesus“ und „Christus“
– Leerstelle nach „Jesus Christus“
Innehalten.
Atem dringt ein, und mit ihm:
Ah, wir waren hier ja beim „Gottesdienst“, respektive beim Feiern von Gottes Dienst – innerhalb der Christ-lichen Kirche.
1. Gibt es einen Gottesdienst, den Sie in besonders guter Erinnerung haben? Falls ja, aus welchem Grund? Ja, jedes mal wenn ich verstanden habe, was gepredigt wurde.
2. Gibt es einen Gottesdienst, der Sie überrascht hat? Ja, als der Pfarrer die Gemeinde zum lauten Mitdenden aufgefordert hat. Eigentlich finde ich das gut, aber damals war ich etwas überrumpelt.
3. Wann empfinden Sie einen Gottesdienst als gelungen? wenn Mut zugesprochen wird; wenn in einfachen Worten gesprochen wird; kurze Rede tiefer Sinn; wenn Kinder mit einbezogen werden
4. Müssen Gottesdienste schön sein? Wenn ja, wann ist ein Gottesdienst schön? Was ist mit schön gemeint? Für mich sollte er stimmig sein und der Gottesdienst darf auch feierlich sein.
5. Was empfinden Sie in einem Gottesdienst als störend? eine (zu) lange Predigt. Gottesdienstbesucher, welche sich über Kinder im Gottesdienst ärgern.
1. mitte 70er-jahre fuhr ich mit dem fahrrad an einem kalten wintermorgen zu einer kleinen kirche. ein pfarrer aus deutschland predigte über „die ideale liebe“. was ich dazu sagen soll, weiss ich nicht. aber immerhin trugen seine worte bei zu einer wärme, in der ich auftauen konnte. diese erfahrung (ver)suche ich bis heute (zu verstehen)
2. überrascht hat mich „vision 2017“. so hiess, glaube ich, die feier „500 jahre reformation“ auf dem berner bundesplatz. da war es möglich, z’tanz zu gehen. und als die pfarrerin vom heiligen geist sprach, flog eine taube vor mir auf.
3. in vieler hinsicht fand ich, was geschah, nicht so sehr interessant. gelungen fand ich es aber, weil ich mich darin eben doch finden konnte.
4. beeindruckend schön (in den 70ern) das orgelspiel in der kleinen kirche von montet am mont vully – auch weil das viele holz so vibrierte, dass man hätte meinen könne, dass es bald auseinanderfällt.
5. andererseits störend das zu moderne: die lautsprecheranlagen, die ab mitte 90er in unsere kirchen eingebaut wurden. sie versetzen mich in einen qaulvollen entrückungszustand. mit dem anfang meines studiums 1976 fand ich andere quellen und war nicht mehr so oft in der kirche wie zb während der konfirmationszeit. dass ich aber inzwischen nie mehr dort bin, das liegt an den lautsprecheranlagen. ich habe verständnis dafür, viele brauchen sie. störend auch die sogenannte „stuhlreligion“. eine decke bräuchte ich am boden, um mich im lotussitz darauf zu setzen. aber haben Sie kein mitleid mit mir. besonders seit die kirche auf dem internet präsent ist, komme ich schon auf meine rechnung.
Ich danke Christoph Weber ganz herzlich für die guten und ermutigenden Gedanken zum Thema Gottesdienst. Mit seinem Artikel hat er mir aus dem Herzen gesprochen. In einem guten Gottesdienst sollen sich die BesucherInnen aufgehoben fühlen. Sie sollen überzeugt sein, am Sonntag eine Stunde gut und sinnvoll verbracht zu haben. Gottesdienste sollen Sinn machen und lebensnah und alltagstauglich sein. Sie sollen die Möglichkeit geben, sich selber zu erkennen. Möge der Gottesdienst auch in Zukunft ein wichtiges Kernstück der kirchlichen Arbeit sein – neben der Seelsorge, der Diakonie und der Bildung (kirchlicher Unterricht und Erwachsenenbildung)!
sicher sind Sie mit mir einverstanden, dass es nicht nur um selbsterkenntnis geht. Ihre antwort impliziert das ja. möchte auch zu der meinem den aspekt der zwischenmenschlichen beziehung ergänzen: es waren kinder, die durch ihre freude an ihr, die taube aufscheuchten, zum fliegen brachten. zu ihrem vater, wenn ich recht sehe, aus schweden und aus dem evangelikalen bereich, sagte ich: „it’s a symbol for the holy spirit.“ er, mit einem unbeschreiblichen lachen im gesicht: „yes, I know.“ später unversehens eine stimme hinter mir, die mich sozusagen bei meinem namen rief: meine erste liebe. zu den hiphop-klängen junger leute bewegte ich mich bald wieder fort. als ich wiederkam, war sie nicht mehr da – als wäre sie unter den bundesplatz abgetaucht, auf goldsuche. das gab mir gelegenheit, mich noch etwas mit ihren unterweisungsschülerinnen zu unterhalten. unser damaliger präsident sprach laut das wort, den nahmen „christus“ aus. „hohe christologie“, wie man das nennt: eine herausforderung, die aber auch dazu gehört. alles auch zeichen der versöhnung. „tust du?“ fragte mich die lange nicht mehr gesehene, in ihrer jugend gute ballettschülerin mit anspielung auf tanz. „schon immer.“ und ich wies an den rand, wo ich vorher war. diese antwort war irgendwie eine narzisstische überforderung. da gehe ich nach sigmund freud: das unbewusst verworfene bewusst verwerfen. tausende von watt ist nicht das, was ich suche. nicht etwas, was ich jetzt gleich wieder haben muss (mir aber schon wieder wünsche). soweit das vollkommene kommt, wird das unvollkommene abgetan. und doch begegnung und eigentümliche verbindung: wir dürften die beiden einzigen gewesen sein, die gehörschutz trugen.
etwas peinlich: namen mit h. aber die fehlleistung, ihre deutung, bringt mir einiges in der frage nach der reform meines verhältnisses zur kirche. und da hatten wir ja den weltschönsten verschreiber von Ihnen, herr weber-berg, anno dazumal auf „ungeniert reformiert“: redormation.