Die Frage nach der idealen Grösse einer Kirchgemeinde stand beim Diskussionsanlass am 20. Juni im Kirchgemeindehaus in Möriken im Zentrum. Zehn Personen diskutierten mit dem Prozessleitungsteam der Kirchenreform. Als Gefäss für Rückmeldungen zu verschiedenen Themen, die bisher zu kurz kamen, sind auch zukünftig etwa alle zwei Monate unverbindliche, offene Diskussionsanlässe geplant. Die Runde am 20. Juni war sich nicht einig: 10 000 Mitglieder als Grösse, die eine effiziente Verwaltung ermöglicht, oder zurück zur kleinen Urgemeinde?
Wie gross ist Ihre Kirchgemeinde? Was ist an der Grösse ideal? Wo sind eher Nachteile?
Und: Wie viele Mitglieder sind eine ideale Grösse für Kirchgemeinden?
- Zwei oder drei: gemäss Matthäus 18,20!
- Sieben: Gemäss der juristischen Vorgaben der Kantonsverfassung und der Kirchenordnung muss eine Kirchgemeinde mindestens sieben Mitglieder haben – vier ehrenamtliche Kirchenpflegemitglieder und drei Rechnungsprüfer.
- 202: So viele Mitglieder hatte die kleinste Kirchgemeinde der Reformierten Landeskirche Aargau Ende 2023.
- 1873: So gross war Ende 2023 die durchschnittliche Mitgliederzahl der reformierten Kirchgemeinden im Aargau.
- 3 000 bis 4 000 Mitglieder: gemäss einer Untersuchung im Kanton St. Gallen sind mittelgrosse Kirchgemeinden am zufriedensten.
- 6996: So viele Mitglieder hatte die grösste Kirchgemeinde der Reformierten Landeskirche Aargau Ende 2023.
- 10 000: Als Verwaltungseinheit; mit kleineren Teilgemeinden in denen das kirchliche Leben stattfindet.
- 144 000: Gemäss Offenbarung 14,1-4. Eine grosse Gemeinde im gesamten Kanton. Ende 2022 lag die Reformierte Kirche Aargau mit 144155 Mitgliedern recht nah an dieser Zahl. Ende 2023 mit nur noch 138 000 Mitgliedern wurde diese Zahl schon nicht mehr erreicht.
Diskutieren Sie mit!
Die ideale Gemeindegrösse gibt es für mich nicht. Sicher, vor ökonomischen Herausforderungen werden alle Gemeinden wohl eher früher als später kreative Lösungen entgegensetzen müssen. Ich stimme Rafael Sommerhalder zu. Es hängt nicht primär von der Anzahl Gemeindemitglieder ab. Ist es nicht vielmehr eine Frage der Lebendigkeit und der Ausstrahlung einer Gemeinde. Menschen wollen sich wohlfühlen, willkommen und angenommen wissen.
Qualität und Quantität gehören zusammen, beides sollte angeschaut werden. Zusammenlegen darf niemals dazu führen, dass sich die Menschen welche Gemeinde sind, sich nichtmeher angenommen zuhause fühlen. „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind“, heisst für mich genau das.
Die Diskussion um die Mindestgrösse einer Kirchgemeinde mag im ersten Moment v.a. aus ökonomischen Gründen interessant erscheinen. Auf den zweiten Blick erweist sie sich m.E. als zu einseitig.
Die Quantität einer Kirchgemeinde allein sagt noch nichts über ihre Qualität und insbesondere über ihre Vitalität aus. Ich durfte letztes Jahr eine reformierte Kirchgemeinde im Kanton Graubünden kennenlernen. Sie hat nur 400 Mitglieder, die über eine riesige Fläche verteilt leben, und zwar in einem traditionell katholischen Gebiet. Diese Kirchgemeinde prägt die Gesellschaft ihrer Region aber entscheidend mit. Sie hat eine Stiftung gegründet, die in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Institutionen eine Kindertagesstätte, mehrere Jugendarbeitsstellen und soziale Projekte im Ausland unterhält. Die Kirchgemeinde hat überdies bereits früh in klimafreundliche Gebäude investiert. Es braucht also nicht viele Mitglieder, um vital, fortschrittlich und gesellschaftsrelevant zu sein, sofern sich die Mitglieder mit Überzeugung engagieren.
Im Gegensatz dazu habe ich im Rahmen von Weiterbildungen fusionierte Kirchgemeinden im Flachland kennengelernt, die jetzt zwar über 3000 Mitglieder haben, aber dennoch kaum aus dem Dornröschenschlaf zu wecken sind und nur sehr schwerfällig verwaltet werden können.
Mit diesen Angaben ist die komplexe Problematik, vor die uns die Frage nach der Vitalität von Kirchgemeinden stellt, nicht voll erfasst. Die angegebenen Beispiele könnten auch nur Ausnahmen von der Regel sein. Sie sind aber Warnhinweise, dass nackte Mitgliederzahlen allein nicht als Lebendigkeitsindikator ausreichen, sondern im Kontext weiterer Faktoren diskutiert werden müssen.
Die Zahlenauflistung hat informativen und impulsgebenden Charakter.
Wo steht die eigene Kirchgemeinde? Nachdenken im Reformprozess und Zusammenschlüsse nicht per se ausschliessen ist nötig.
Was mir aufstösst ist der Vergleich mit der Offenbarungs-Bibelstelle.
Da wird es mir defintiv zu eschatologisch und zu exklusiv. Die Offenbarung ist für mich in dieser Reformdikussion kein Referenzpunkt.
zu 2.: jetzt weiss ich, warum die 7 eine magische zahl ist.😉
zu 8.: die 4 ist die zahl der ganzheit. das letzte buch der bibel hat damit ein problem: es werde alles neu gemacht, wird gesagt – und dann ist es doch nicht alles. ich glaube auch nicht, das die ganzheit so moralisch und darum so unmoralisch daherkommt wie im zitat. bin darum auch skeptisch gegenüber dem ausdruck „die gemeinschaft der heiligen“. es geht mir nicht darum, einen menschen zu idealisieren, aber der ausruf bodhidharmas, als er zur erleuchtung kam, gefällt mir: „nichts heiliges!“ zu off 14.5: die tradition sagte, die kirche sei „ohne makel“. luther widersprach: sie ist „maxima peccatrix“, die grösste sünderin.