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Fünf Thesen zum Kirchgemeindeaufbau

Pfarrer Michael Freiburghaus bei seinem Vortrag am Pfarrkapitel
Pfarrer Michael Freiburghaus stellte dem Pfarrkapitel am 7. Mai seine fünf Thesen vor.

verfasst von Michael Freiburghaus, Pfarrer der Kirchgemeinde Leutwil-Dürrenäsch

Meine Überlegungen zur Zukunft der Aargauer Kirchgemeinden fasse ich in fünf Thesen zusammen. Dabei berühre ich sowohl theologische, organisatorische, soziologische, psychologische als auch finanzielle Aspekte:

  1. Theologischer Schwerpunkt: Aufs inhaltliche Maximum reduzieren
  2. Organisatorischer Aspekt: Lernen, die Delegation zu delegieren
  3. Soziologische Erkenntnis: Kirche als dritten Ort etablieren
  4. Psychologischer Hinweis: Beschämung vermeiden
  5. Finanzielles Ziel: Fundraising intensivieren

1.) Aufs inhaltliche Maximum reduzieren

Aus der Fülle von Bibel und Theologie wird die Hauptbotschaft von Jesus so weitergegeben, wie sie konkret im Alltag verankert werden kann.

A) Hauptbotschaft der Bibel: Was ist die Hauptbotschaft der Bibel? Schon bei dieser ersten Frage gehen die Antworten auseinander. Wer hundert Pfarrpersonen fragt, erhält hundert verschiedene Antworten – oder sogar noch mehr. Meines Erachtens ist die Hauptbotschaft von Jesus er selber, weil er uns Gottes Reich bringt

B) Alltagsanwendung: Der sich selbst als Agnostiker bezeichnende Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack[1] hat empirisch erforscht: „Je unpersönlicher das Gottesbild, desto weniger Einfluss hat der Glaube auf den Alltag.“[2] Deswegen formuliere ich bewusst umgekehrt: Je persönlicher unser Gottesbild ist, desto mehr Einfluss hat unser Glaube auf unseren Alltag. Daher vertrete ich einen christozentrischen Ansatz: Jesus steht im Zentrum meiner Theologie. Mein Ziel sehe ich darin, möglichst viele Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass Jesus zu ihnen durch die Bibel (und auf andere Arten) spricht und sie ihm im Gebet antworten können. Beim Prägen von Kunst und Kultur habe ich bisher weniger Erfahrungen gesammelt, aber auch dies ist ein wichtiger Punkt, den Glauben im Alltag zu verankern. Ein deutscher Bischof, Hans-Jürgen Abromeit, kam zu einem ähnlichen Schluss wie Detlef Pollack: „Nur wer Erfahrungen mit Gott und seinen Leuten macht, wird bereit sein, Kirchenmitglied zu werden.“[3] Wir ermöglichen konkrete Alltagserfahrungen im Glauben. Meine erste These ist bewusst ein Paradox: Reduziere zum Maximum! Reduce to the max!

2.) Lernen, die Delegation zu delegieren

Pfarrpersonen werden zu Coaches, die Freiwillige befähigen, selber Teams aufzubauen. So entsteht Multiplikation.

 A) Delegation: Viele Pfarrpersonen arbeiten mit unterschiedlichen Teams zusammen. Dafür delegieren sie Aufgaben. In vielen Kirchgemeinden sind z.B. Besuchsdienste fest etabliert, die regelmässig Besuche machen. Ebenso die Wegbegleitung, die projektbasiert diakonische Unterstützung anbietet. Ein Forschungsteam fand heraus, dass bei wachsenden Kirchgemeinden die Delegation stark ausgeprägt ist: Die Pfarrperson rüstet die Gemeinde dafür aus, selber Dienste zu übernehmen. Dies gipfelt in der Aussage: „Nicht der Pastor macht die Gemeindearbeit, sondern die Gemeinde macht die Gemeindearbeit.“[4]
Zur Delegation gehört meines Erachtens auch eine stärkere Gabenorientierung: Jede Kirchgemeinde lebt ihre eigenen Stärken und versucht nicht mehr verzweifelt, ihre Schwächen auszugleichen. Mut zur Lücke. Nicht mehr jede Kirchgemeinde muss „alles“ anbieten, weil Angebote teilweise delegiert werden an Nachbarkirchgemeinden.
Sehr gute und kulinarisch köstliche Erfahrungen habe ich damit gemacht, Vereine einzuspannen, die das Kochen an kirchlichen Anlässen zu übernehmen. Es ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Vereine freuen sich über eine volle Vereinskasse und alle Gäste über einen vollen Bauch. Wenn die kochenden Vereinsmitglieder ihre eigenen Familien an den kirchlichen Anlass einladen, hat man schon einen Grundstock an Gästen.

B) Woher die Freiwilligen nehmen? In Anbetracht der Lage, dass viele Kirchgemeinden grosse Mühe bekunden, Mitglieder für die ehrenamtliche Kirchenpflege zu finden, stellt sich die Frage: Wo nehmen wir die Freiwilligen her, die beim Kirchgemeindeaufbau mithelfen? Detlef Pollack hat eine hochinteressante Erkenntnis gewonnen: „Wenn jemand den Gottesdienst nicht besucht, stehen die Chancen nur bei zwei Prozent, dass sie oder er sich freiwillig in der Kirche engagiert.“[5] Für mich bildet dies eine starke Motivation, weiterhin farbenfrohe Gottesdienste gemeinsam mit vielen Freiwilligen zu gestalten, obwohl sie für mich viel aufwändiger zu organisieren sind als einfache Predigtgottesdienste. Stichwort: interaktive Gottesdienste, „Thomas-Messe“, Thomas-Gottesdienst, mit verschiedenen Posten (Workshops) während des Gottesdienstes.
Detlef Pollack fand noch etwas sehr Ermutigendes heraus: „Wenn sich jemand in der Kirche [freiwillig] engagiert, macht er in der Kirche [auch] gute Erfahrungen.“[6] Ein Motto, das beide Seiten der Medaille betont, lautet: „Wir [= Kirchgemeinde und Pfarrpersonen] sind für euch [= Freiwillige] da – wir brauchen euch.“[7]

C) Multiplikation: Wie finden wir von der Delegation zur Multiplikation? Der Apostel Paulus gab dieses Prinzip an Timotheus weiter: „Was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Menschen an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren!“[8]In unserem Fall suchen wir wohl vor allem Kirchenpflegerinnen und Kirchenpfleger, die selbst wiederum neue Freiwillige dazugewinnen.
Die Delegation delegieren wir auch dadurch, wenn wir pensionierte Pfarkolleginnen und Pfarrkollegen anfragen, ob sie in der Kirchgemeinde Kurse zu Seelsorge oder Bibelabende anbieten. Das stärkt die Kirchgemeinde von innen.
Multiplikation bedeutet auch, neue christliche Gruppen zu gründen. Michael Moynagh, Erforscher von fresh expressions of Church (neue Ausdrucksformen von Kirche) in England: „Neue christliche Communities [= Gruppen] sollten hauptsächlich Menschen ansprechen, die normalerweise nicht in die Kirche gehen. Das ist das Ziel.“[9] Michael Moynagh bietet meines Erachtens ein starkes Argument zur Gründung neuer christlicher Gruppen, wenn er betont: Die Urgemeinde in Jerusalem existierte nur etwa 40 Jahre lang.[10] „Unser Hauptziel sollte nicht sein, eine langlebige Community zu gründen, was heutzutage wenig realistisch ist, sondern eine Community, aus der weitere Communities hervorgehen.“[11] Er gibt den humorvollen Hinweis: „Probieren Sie also einfach etwas aus.“[12] Multiplikation ist die Frucht jahrzehntelanger Arbeit, um mündige Nachfolgerinnen und Nachfolger von Jesus hervorzubringen. Sie ist nicht nur harte Arbeit, sondern auch immer ein unverdientes Geschenk Gottes. Mein zweites Paradox.

D) Führungsgrundsatz Komplexitätsmanagement: Wie können wir handlungsfähig bleiben, wenn unsere Kirchgemeinden immer komplexer werden? Wenn das ganze System komplexer wird, sollten die Untersysteme einfacher werden, d.h. effektiv funktionieren. Neben der Kirchenpflege habe ich noch eine Gottesdienstkommission, die die Gestaltung farbenfroher Gottesdienste ermöglicht und z.B. das Anspiel (Theater im Gottesdienst) koordiniert, sowie eine Finanzgruppe, die Fundraising betreibt. Bald wird noch eine Jugendkommission dazustossen, die Ideen liefert in der Jugendarbeit und sie umsetzt. Einige Kirchgemeinden haben wohl eine Fusionskommission, eine Baukommission und weitere Kommissionen. Diese kleinen Gremien regeln die Details selber und entlasten dadurch die Kirchenpflege. „Die Leitenden dieser kleineren Einheiten müssen und dürfen genügend Autonomie (Eigenverantwortung) haben, um sich selbst zu regeln (= sich selbst wirksam zu organisieren). Das ist kybernetisch optimal, denn damit wird viel Komplexität schon an der Basis absorbiert! Dazu braucht man jedoch klare Ziel- und Rahmenvorgaben von der übergeordneten Leitungsebene [= Kirchenpflege] und die Bereitschaft der kleineren Einheiten, trotz grosser Autonomie, diese Ziel- und Rahmenvorgaben zu verfolgen und eine Sicht für das Ganze zu bewahren.“[13]

3.) Kirche als dritten Ort etablieren

Gemeinsame Essen und Freizeitaktivitäten fördern den Zusammenhalt über Gesellschaftsschichten hinweg. Kirche wird zur zweiten Familie.

A) Was ist der dritte Ort? In der Soziologie spricht man vom dritten Ort, the third place: Der erste Ort ist dort, wo man wohnt. Der zweite Ort ist die Arbeitsstelle und der dritte Ort ist dort, wo man gerne seine Freizeit verbringt.
Unser Ziel könnte lauten, nach (fast) allen Gottesdiensten ein Kirchenkaffee oder ein einfaches Mittagessen anzubieten. Auch eine Teilete, ein kanadisches Buffet (Potluck[14]) ausschreiben, bei dem alle eine Speise mitnehmen und dann gemeinsam teilen und geniessen. Dabei steht aber nicht das Essen im Vordergrund, sondern die Gemütlichkeit und das gemeinsame Zusammensein als Kirchenfamilie.
Auch gemütliche Anlässe unter der Woche stärken eine Kirchgemeinde von innen. Einige Kirchgemeinden haben eine Cafeteria im Kirchgemeindehaus eingebaut, in Meisterschwanden heisst sie „Wolke Nr. 7“, und ist eine Art Starbucks-Café. Öffnungszeiten an drei Wochentagen. Einmal im Monat findet ein Brunch statt. Es ist ein gemütlich und kunstvoll eingerichteter Ort, an dem man gerne ist und isst.

B) Warum gemeinsam essen und trinken? Das Motiv von Essen und Trinken zieht sich als roter Faden durch die ganze Bibel, deswegen gehe ich hier nicht näher darauf ein.

C) Warum gemeinsam Freizeitaktivitäten verbringen? Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung ist von Einsamkeitsgefühlen betroffen, vor allem Jugendliche und Pensionierte. Damit stellt Einsamkeit eines der drängendsten gesamtgesellschaftlichen Probleme dar. Udo Rauchfleisch, emeritierter Basler Professor für Klinische Psychologie, unterscheidet zwischen der positiven, schöpferischen Einsamkeit und der negativen, schädlichen Vereinsamung, die immer mehr Menschen betrifft und eine „zehn bis 20 Jahre tiefere Lebenserwartung“[15] bewirkt. Als Gründe für die zunehmende Einsamkeit nennt Rauchfleisch sowohl die Coronamassnahmen als auch Schamgefühle, Armut und Krankheiten. Gesellschaftliche Tabus sind die Einsamkeit von Flüchtlingen, von LGBTIQ+-Personen und Obdachlosen. Auch die Abwärtsspirale aus Sucht, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit zeigt er auf.[16] Rauchfleischs Lösungsansätze bestehen u.a. darin, die Eigeninitiative der Betroffenen zu stärken, sich wieder rege in die Gesellschaft von anderen Menschen zu begeben, dann das Lesen der Bibel, das Gebet, das Singen von Kirchenliedern sowie die christliche Gemeinschaft.[17] Einsame Mitmenschen sind in der Kirchgemeinde herzlich willkommen. Wir gehen aktiv auf sie zu. Eine konkrete Umsetzungsmöglichkeit sehe ich darin, regelmässig generationenübergreifende Anlässe anzubieten, die Teenager und Senioren miteinander verbinden, wie z.B. gemeinsame Spielnachmittage.

D) Warum Zusammenhalt über Gesellschaftsschichten hinweg? Der zusätzliche Satz zur vierten These lautet: „Gemeinsame Essen und Freizeitaktivitäten fördern den Zusammenhalt über Gesellschaftsschichten hinweg.“ Warum über Gesellschaftsschichten hinweg? Mein Ziel besteht darin, Angebote für alle Gesellschaftsschichten und die ganze Familie anzubieten und auch Singles einzuladen. Essen verbindet uns alle.

E) Warum Kirche als zweite Familie etablieren? Ich rede weniger von Kirchgemeinde als vielmehr von Kirchenfamilie, weil ich christliche Gemeinschaft als zweite, geistliche Familie verstehe. Dafür motiviere ich Gottesdienstbesucher, unter der Woche einen Hauskreis oder eine Gebetsstunde zu besuchen für Bibellesen, Gebet, Seelsorge und Gemeinschaft. Das Leben miteinander teilen. Noch ein Zitat von Johannes Sieber, das aber sicher auch von Pfarrer Ernst Sieber stammen könnte: „Familie ist die richtige Antwort auf die Veränderung der Gesellschaft.“[18]

4.) Beschämung vermeiden

Niederschwellige Angebote erfordern keine Vorkenntnisse, Kasualhandlungen werden teilweise während der Durchführung erklärt.

A) Warum Beschämung vermeiden? Scham ist eines der stärksten Gefühle. Beispiel Tauffestgottesdienste: Es ist statistisch erforscht, dass alleinerziehende Mütter und Väter ihre Kinder viel seltener zur Taufe bringen. Wir können alle ein oder zwei Jahre mit der Allianz oder mit Nachbarkirchgemeinden einen überregionalen Taufgottesdienst draussen an einem See, Bach oder in einem Schwimmbad anbieten. In diesem öffentlichen Tauffestgottesdienst können sich sowohl Kinder als auch Erwachsene taufen lassen, ohne sich sozial exponieren zu müssen, falls ein Elternteil abwesend ist. So beschämen wir niemanden. Ausserdem blende ich jeweils den Text des Unser-Vater-Gebets auf einer Powerpointfolie ein, weil ich nicht davon ausgehe, dass alle Gäste dieses Gebet auswendig aufsagen können.

B) Warum niederschwellige Angebote anbieten, die keine Vorkenntnisse erfordern? Wir können kreative Gottesdienste draussen feiern, bei denen die Kinder Lieder singen und dazu Bewegungen machen.[19] Vorteil: Die Kinder können munter rumhüpfen, ohne dass sie stören. Die Erwachsenen können an diesen Gottesdiensten ungezwungen schnuppern, ohne sich als Gottesdienstbesucher öffentlich exponieren zu müssen. Dies ist auch immer eine evangelistische Möglichkeit, zum Glauben einzuladen. Eine positive Auswirkung von Corona war, dass wir in Leutwil sowohl ein Adventsfeuer am 4.Advent als auch ein Osterfeuer am Karsamstag etablieren konnten. Das Feuer findet bewusst neben meiner Garage statt und nicht in einer Kirche oder im Kirchgemeindehaus. Das Feuer in der Garage zu entfachen, wäre weniger schlau. Unterdessen sind beide Feuer fröhliche Dorffeste, an denen bis zu 140 Personen teilnehmen, darunter viele kirchenferne Nachbarn. Ich lade meine Nachbarn jeweils persönlich mit einem Flyer ein. Es nehmen sogar Menschen teil, die aus der Kirche ausgetreten sind oder eine andere Religion haben. Das nächste Jahr wollen wir das erste Mal Kinderschminken anbieten und dies auf dem Einladungsflyer auch so vermerken. Wir rechnen mit einem noch grösseren Besucherandrang.

C) Warum Kasualhandlungen teilweise erklären? Wenn jemand schon mehrere Jahre keinen Gottesdienst mehr besucht hat, kennt sie oder er die Gottesdienstliturgie und die Bedeutung wohl nicht mehr. Bei den Taufen erkläre ich jeweils in aller Kürze den Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenentaufe. Kürzlich habe ich den Viertklässlern beim ersten Abendmahl jeden Punkt der Abendmahlsliturgie erklärt und habe davon selber profitiert. Es geht nicht um das Ritual an sich, sondern um die Bedeutung dahinter. Auch an Kasualgottesdiensten lade ich zu Glauben ein.[20]

D) Weiterführende Angebote aufzeigen: Bei niederschwelligen Angeboten kann Werbung gemacht werden für weiterführende Angebote, die den Glauben vertiefen. Am diesjährigen Osterfeuer habe ich Einladungen für den Ostergottesdienst aufgehängt und neue Leute sind das erste Mal in den Ostergottesdienst gekommen. Seit Kurzem biete ich nach jedem Gottesdienst Gebet und/oder ein Gespräch an.[21]

5.) Fundraising intensivieren

Kreative Möglichkeiten ausprobieren, wie der Kirchgemeinde mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden können.

A) Fundraising allgemein: Beim Fundraising gibt es klassische Möglichkeiten wie Spendenläufe, Galakonzerte oder Galadinner. Oder auch die Möglichkeit, über eine Crowdfundingplattform im Internet Geld zu erbeten. Fun Fact: Ich dachte immer, man spricht Wemakeit aus wie Sicherheit oder Freiheit, doch es ist Englisch und heisst: we make it! Wenn der Geldbetrag gespendet wurde, wird daraus: we made it! Das Fundraising unterteile ich grob in Fundraising für Personen sowie Fundraising für Gebäude bzw. Sachen.

B) Fundraising für Personen: Einige Kirchgemeinen im Kanton betreiben bereits einen Förderverein oder ein Förderkonto, um mehr Geld und damit Stellenprozente für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu generieren, beispielsweise für eine Sozialdiakoniestelle in Ausbildung. Die Gefahr von Missverständnissen kann erhöht sein, wenn eine Kirchgemeinde eine doppelte Leitungsstruktur führt mit einer Kirchenpflege und einem Förderverein, der Mitspracherecht bei der Anstellung kirchlicher Mitarbeiter hat. Deswegen finde ich ein Förderkonto praktischer gemäss dem KISS-Prinzip: „Keep it simple and stupid.“ Das Förderkonto ist ein Lohnkonto, über das zum Beispiel eine TDS-Praktikantin angestellt ist. Spenden an das Förderkonto sind steuerabzugsberechtigt. Weitere Auskünfte erteilt die Gemeindeberatung.

C) Fundraising für Gebäude bzw. Sachen: Fundraising für Gebäude kannte ich lange Zeit nur von katholischen Kirchen, besonders von Kathedralen. Als ich vor 15 Jahren einmal eine Stadt bereiste, es war wohl Rom oder Wien, war ich überrascht, einen elektronischen Zahlungsapparat für Spenden in einer Kirche zu sehen. In einer reformierten Kirche habe ich dies bisher noch nicht gesehen. Hilfreich ist es, auch beim Fundraising für Gebäude bzw. Sachen einen positiven und emotionalen Zugang für Spenderinnen und Spender zu schaffen. Beispielsweise „Fonds Freunde der Orgel“, oder „Freunde des Kirchturms“ oder „Freunde der Kirchturmuhr.“

D) Zusammenfassung zum Fundraising: Wir müssen keine Angst vor dem Scheitern haben, sondern Gott vertrauen, einmal mutig einen Versuch wagen, ihn auswerten, verbessern und nochmals ausprobieren. Was Michael Moynagh zum Aufbau christlicher Gruppen schreibt, gilt auch beim Fundraising allgemein: „Probieren Sie also einfach etwas aus.“[22]

Schluss

„Das Normale in zunehmender Qualität ist das Geheimnis“[23], las ich als Fazit eines Kirchgemeindeaufbaubuches. Geduld ist gefragt: Positive Änderungen brauchen mindestens fünf Jahre, um in einer Kirchgemeinde greifen zu können.[24] Die Hinwendung von Menschen zum Glauben an Jesus Christus ist ein Prozess, der durchschnittlich zwölfeinhalb Jahre dauert.[25] Bitte abonniere meinen Kanal zum Kirchgemeindeaufbau @Michael-Freiburghaus auf YouTube. Vielen Dank für deinen Einsatz für den Kirchgemeindeaufbau im Kanton Aargau!

 

 

Literatur

  • Christen, René. Wirksam leiten weniger leiden. Toolbox für Kirchen, Gemeinden, Unternehmen. Mit vielen Führungstools und einem Analysetest. Thun: Mosaicstones, 2024.
  • Herbst, Michael; Jansson, Andreas; Reißmann, David; Todjeras, Patrick. Evangelisation: Theologische Grundlagen, Zugänge und Perspektiven. Mission und Kontext (MuK) 3. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2024.
  • Moynagh, Michael. Startup:Kirche. Neue christliche Communities gründen. Gießen: Brunnen, 2024.
  • Rauchfleisch, Udo. Einsamkeit – Die Herausforderung unserer Zeit. Analysen und Vorschläge. Ostfildern: Patmos, 2024.
  • Schaser, Elisabeth; Limbeck, Benjamin; Todjeras, Patrick. Vielleicht schaffen wir die Trendumkehr. Eine Studie zu Wachsen und Schrumpfen von Kirchengemeinden im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2022.
  • Sieber, Johannes. Der Auftrag bleibt! Wie wir die nächste Generation für das Leben mit Jesus gewinnen. Cuxhaven: Edition Wortschatz, 2021.

[1] Jan Feddersen, Interview mit Detlef Pollak, „Vielleicht gibt es Gott ja doch“, 17.12.2023, https://taz.de/Soziologe-ueber-Niedergang-der-Kirchen/!5977530/

[2] Detlef Pollack, Hat das Christentum in Deutschland noch eine Chance?, Vortrag an der Universität Greifswald, 08.04.2024.

[3] Elisabeth Schaser, Benjamin Limbeck, Patrick Todjeras: Vielleicht schaffen wir die Trendumkehr. Eine Studie zu Wachsen und Schrumpfen von Kirchengemeinden im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2022, S. 112.

[4] Elisabeth Schaser, Benjamin Limbeck, Patrick Todjeras, Vielleicht schaffen wir die Trendumkehr, S. 53.

[5] Detlef Pollack, Hat das Christentum in Deutschland noch eine Chance?, Vortrag an der Universität Greifswald, 08.04.2024.

[6] Detlef Pollack, Hat das Christentum in Deutschland noch eine Chance?, Vortrag an der Universität Greifswald, 08.04.2024.

[7] Elisabeth Schaser, Benjamin Limbeck, Patrick Todjeras, Vielleicht schaffen wir die Trendumkehr, S. 122.

[8] 2.Timotheusbrief 2,2.

[9] Michael Moynagh, Startup:Kirche: Neue christliche Communities gründen, S. 77; kursiv im Original.

[10] Vgl. Michael Moynagh, Startup:Kirche: Neue christliche Communities gründen, S. 225.

[11] Michael Moynagh, Startup:Kirche: Neue christliche Communities gründen, S. 226.

[12] Michael Moynagh, Startup:Kirche: Neue christliche Communities gründen, S. 96.

[13] René Christen, wirksam leiten weniger leiden, S. 25-26.

[14] Vgl. Wikipediaartikel Potluck, abgerufen am 05.05.2025, https://de.wikipedia.org/wiki/Potluck

[15] Udo Rauchfleisch, Einsamkeit, S. 7.

[16] Vgl. Udo Rauchfleisch, Einsamkeit, S. 100, 114.

[17] Vgl. Udo Rauchfleisch, Einsamkeit, S. 126-141.

[18] Sieber, Der Auftrag bleibt!, S. 246.

[19] Auch Jesus hat ja oftmals draussen gepredigt.

[20] Vgl. Michael Herbst et al., Evangelisation: Theologische Grundlagen, Zugänge und Perspektiven, S. 352.

[21] „Seelsorge und Integrationsangebote nach jedem Gottesdienst“, René Christen, wirksam leiten weniger leiden, S. 78.

[22] Michael Moynagh, Startup:Kirche: Neue christliche Communities gründen, S. 96.

[23] René Christen, wirksam leiten weniger leiden, S. 121.

[24] Vgl. René Christen, wirksam leiten weniger leiden, S. 94.

[25] Vgl. Michael Herbst, Andreas Jansson, David Reißmann, Patrick Todjeras. Evangelisation: Theologische Grundlagen, Zugänge und Perspektiven, S. 377.

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

4 Kommentare

  1. Ich möchte mich herzlich für den inspirierenden Vortrag über die fünf Thesen für den Kirchgemeindeaufbau bedanken. Die Präsentation hat sehr wichtige Punkte hervorragend herausgearbeitet. Besonders spannend fand ich, wie Michael Freiburghaus die Thesen mit praktischen Beispielen und mit der Literatur untermauert hat.
    Besten Dank für diese wetvolle Arbeit.

  2. Vielen Dank für diesen Text. Die vielen verschiedenen Vorschläge, Haltungen, Engagements decken sich mit meinen Erfahrungen und Vorstellungen.

  3. die hauptbotschaft der bibel sehe ich in 1joh 4.16, dass gott liebe ist. 3.1 wird das verstanden als „der vater liebt“. damit ist das wort „gott ist liebe“, finde ich, aber unvollständig verstanden. liebe ist in ihrer vollkommenen erscheinung die vereinigung von allem in ihrem werden und sein. je persönlicher, desto mehr einfluss auf unseren alltag. in dieser vereinigung sind nun gleich mindestens mehrere personen. zb ist darin buddha, der mir zeigt, wie ich auf meinem meditationsplatz mal bleiben kann, wo ich bin, womit die mobilität mit ihrer co2-emission auf null reduziert ist. den ersten sonntag des ersten lockdowns habe ich mit acht stunden eröffnet und denke gerne daran zurück. im zeitalter der pandemien und auch abgesehen davon, sollten wir das thema einsamkeit nicht nur im sinne des zusammenkommens mit andern angehen. die vereinigung von allem zeigt sich in den drei worten „panta en pasin“, „alles in allem“ (1kor 15.28), ohne das vorangestellte theόs, gott, vater, das die damit vier worte wieder zu einem unvollkommen teil eines unvollkommenen erkennens (13.8ff) machen würde. die vereiniung von allem ist selbst person. mehr als person, aber personähnlich. und sie kann sich als alles manifestieren, was in ihr ist. alles mit allem vereinigt. das bleibt nicht im familiären. jesus folge ich nicht einfach so nach. ich erwarte von ihm eine wende um 180 grad: den dialog auf augenhöhe. schaue ich ihn an, sehe ich ein lachen in seinem gesicht. er freut sich – hat er doch längst gemerkt, dass seine botschaft damals unvollständig war. allein heisst dann a l l ein und einsam allsam. das sagt er ja auch: „was du nicht hast, hast du hundertfach:“ (mk 10.30 auf das elementarste reduziert) das entspricht den drei worten „alles in allem“, dem letzten wort des neuen testaments, wie ich sie nenne. aber ich freue mich, das andere mehr talent haben im gemeindaufbau als zusammenkommen als ich.

    • Lieber Herr Vogt,
      Das tönt ja sehr schön, doch möchte ich gerne, ohne Ihre Erfahrungen zu verneinen, meinen etwas kritischen Senf dazu abgeben:
      Ihr „letztes Wort“ ohne Gott scheint mir ziemlich verkürzt und gerade nicht mehr christlich. Denn dieser Gott der Liebe (1Joh 4,16) hat sich uns in Jesus Christus offenbart (1Joh 4,9-10) und gerade nicht in Buddha oder ähnlichen schillernden Gestalten.
      Ich stimme Ihnen im ersten Punkt absolut zu: Dass Gott Liebe ist, gehört zur Hauptbotschaft der Bibel. In allem weiteren scheiden sich die Geister.

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