Liebe Leserin, liebe Leser,
Es wird Sie nicht verwundern, dass auch meine Kolumne zur Sommerpause 2023 dem Thema Kirchenreform 26/30 gewidmet ist. Es beschäftigt mich und schon ganz viele Menschen in unserer Landeskirche – Kirchgemeinden und Landeskirchliche Dienste – praktisch täglich. Ohne unsere eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu überschätzen: Wir stehen an einem wichtigen Punkt für die Entwicklung unserer Landeskirche in den kommenden Jahren. Nicht nur, was Strukturen, vermehrte Zusammenarbeit, Reduktion von Kosten angeht, sondern auch, was unser Verständnis des gemeinsamen Kirche-Seins angeht. Dieser Punkt ist mir das wichtigste Anliegen der Reform.
Im Rahmen der Retraite hat der Kirchenrat die Ergebnisse der Arbeitsgruppen gesichtet und zehn leitende Prinzipien zur Kirchenreform herausgearbeitet, die in den kommenden Monaten breit diskutiert werden sollen. Das erste Prinzip lautet:
Die Basis der Reformierten Kirche Aargau ist das Evangelium und die reformierte Tradition.
Ich habe mir überlegt, wie ich einem jungen Menschen, der mit der evangelisch-reformierten Tradition nicht vertraut ist, erklären würde, was das heisst. Es ist gar nicht so einfach, Begriffe zu erklären, die so umfassend sind, dass sie alles sagen – und damit eigentlich nichts… Ich versuche es einmal so.
Evangelisch heisst:
Drei zufällig ausgewählte Menschen aus unserer Kirche kommen zusammen und lesen in der Bibel. Das gehört für sie einfach dazu. Genau: Sie lesen im Evangelium, und zwar zufälligerweise im Evangelium nach Matthäus, im Kapitel 18, Vers 20. Dort heisst es: «Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen». Bevor sich die drei besser kennen lernen, vertrauen sie einfach darauf, dass diese gute Botschaft für sie zutrifft. ER ist mitten unter ihnen.
Reformiert heisst:
Eine der drei Personen sagt: «Moment einmal: Warum ‚ER‘? Seit Pfingsten ist doch die Heilige Geistkraft bei uns Christinnen und Christen. SIE ist mitten unter uns!» Jemand erwidert: «Nein! Das siehst Du viel zu allgemein. Wir sind eine CHRISTLICHE Kirche. CHRISTUS, der Auferstandene, ist mitten unter uns!» Der dritte findet: «Also mir ist dieser Unterschied egal: Gott ist mitten unter uns. Und im Übrigen ist es wichtig, dass unsere Gesellschaft auf christlichen Werten aufbaut. Und Gott erfahre ich auch in der Natur oder in der Musik.»
Arbeitsgruppe 1, die sich mit Inhalt und Botschaft der Kirche beschäftigte, hat sich – mit deutlich mehr als drei Personen – auf diesen «Diskussionsweg» gemacht und ihr Resultat in genau vier Worten zusammengefasst «Gott im Zentrum. Punkt.»
Kirche sein und Kirche machen
Auch in meinem Verständnis bedeutet Evangelisch-reformiertes Kirche-Sein, dass wir auf das Evangelium für die Kirche vertrauen: Unsere Mitte verbindet uns. Wir sind Kirche.
Es bedeutet gleichzeitig, dass wir neugierig, offen und respektvoll darüber debattieren, was das für uns, in unserer Zeit, an unserem Ort, für unser Leben und Wirken in dieser Welt für Konsequenzen hat. Wir machen Kirche.
Und es bedeutet zu guter Letzt, dass wir auch dann noch auf diese uns verbindende Mitte vertrauen, wenn wir uns bis zum Schluss nicht ganz einig werden.
In diesem Sinne freue ich mich auf den weiteren Verlauf unserer Reform. Ich hoffe, dass wir erleben dürfen, wie wir Kirche sind: lebensfroh, vielfältig, neugierig, respektvoll. Und wie wir Kirche machen – in grossem Vertrauen auf: Gott? Christus? Jesus? Die Heilige Geistkraft? Die christlichen Werte? Die Gemeinschaft als Leib Christi?….? Diskutieren Sie mit!
Christoph Weber-Berg, Kirchenratspräsident
„Gott im Zentrum. Punkt.“ lautet das Fazit der Arbeitsgruppe 1 der Kirchenreform. Die Berichte der Arbeitsgruppen sind auf der Webseite verfügbar.
So wie ich diesen interessanten Text verstanden habe, werden hier zwei Thesen aufgestellt, die in etwa so lauten:
1) Evangelium = Gott ist mitten unter uns
2) Reformiert = Diskurs
Der These 1) kann ich mit einer Präzision zustimmen, die auch schon andere Kommentierende gefordert haben. Im herangezogenen Bibeltext Mt 18,20 spricht Jesus Christus von sich selbst. Er selbst ist mitten unter uns. Das Evangelium ist durchaus, dass Gott mitten unter uns ist. Jesus Christus ist die zweite Person der Trinität und in jeder Person sind die anderen beiden (Vater und Heiliger Geist) stets präsent, da sich alle drei Personen gegenseitig durchdringen und nur zusammen das Wesen Gottes bilden (in der Fachsprache nennt man das „Perichorese“). Der Streit, der im Text dann folgt, ist für Christinnen und Christen also kein echter Konflikt. Was ist dennoch der Unterschied zwischen den Sätzen „Gott ist mitten unter uns“ und „Jesus Christus ist mitten unter uns“? Er liegt in den Konkretion und Bestimmtheit Gottes. In Jesus Christus hat sich Gott selbst konkret definiert als der Gott, der selbst Mensch geworden ist und seinen Bund mit dem Menschen aufgerichtet hat, als der Gott, der unsere Fehler, Leiden und Schmerzen auf seinem Weg ans Kreuz von uns weg auf sich genommen und besiegt hat, als der Gott der in der Auferstehung sogar den Tod überwunden hat und uns ewiges Leben schenkt, damit er in Ewigkeit mit uns zusammen sein kann. Dass genau dieser Gott mitten unter uns ist und mit uns seinen Bund schliesst, das ist die „gute Nachricht“, was das griechische Wort „euangelion“ auf Deutsch heisst. In der Aussage „Gott ist mitten unter uns“ ist das nicht zwingend enthalten, weil nicht klar ist, welcher Gott gemeint ist (dasselbe gilt auch für den Kernsatz der Arbeitsgruppe 1: „Gott im Zentrum. Punkt“). Es könnten – dieses Beispiel kommt im Alten Testament mehrmals – auch die Götzen Baal oder Aschera oder – das findet man in modernen Theologien – ein allgemeines kreatives, humanistisches, soziales oder kulturelles Prinzip (z.B. das Integral des menschlichen Bewusstseins, die letzte Ursache von allem, was ist, oder das grosse Ganze der Wirklichkeit) gemeint sein. Dann wäre aber eben nicht der Gott Jesu Christi mitten unter uns und das wäre nicht das Evangelium.
Der These 2) kann ich zustimmen, wenn man sie historisch verortet und inhaltlich ergänzt. „Reformiertsein“ heisst zunächst – das ist die historische Verortung -, dass wir uns als heutige Kirche, was das konkrete Verstehen dessen betrifft, was das Evangelium ist, in die Tradition der Zürcher und Genfer Reformation des 16. Jahrhunderts stellen. Wir folgen dabei nicht unmittelbar deren inhaltlichen Positionen, sondern deren Verstehenszugang, d.h. wir denken Gott, die Welt und uns als Kirche, wie die Reformatoren es gefordert haben, von Gottes Selbstbestimmung in seinem Wort Jesus Christus her, das in der Bibel des Alten und des Neuen Testaments bezeugt ist. Wir versuchen im Verstehen des biblischen Textes zu erkennen, wie sich Gott heute in unserer Welt so zeigt, wie er sich in Jesus Christus gezeigt hat. Da wir Menschen als einzelne einen beschränkten Horizont haben – das haben die Reformatoren gegen die Autorität des damaligen katholischen Lehramtes, insb. des Papstes, eingewendet -, können wir das nur im gemeinsamen, offenen Diskurs vollziehen und müssen stets darauf hoffen, dass sich der Gott Jesu Christi selbst zeigt. So weit stimme ich mit dem Text überein. Ich würde jedoch ergänzen, dass der Diskurs um die Bibelauslegung und das Vertrauen auf den trinitarischen Gott als Mitte bleibend eine Wahrheitssuche bilden. Selbst wenn wir uns im Moment nicht einig werden, hat unser Diskurs doch zum Ziel, dass wir die Wahrheit finden, selbst wenn Gott sie nur selbst gibt und wir sie nie abschliessend besitzen können. Das Nichteinigsein darf nur ein produktives Moment, nicht aber der Endzustand sein. Dieser muss das Einigsein im Hinblick auf die Wahrheit bleiben (das ist im Sinn von Mt 18,19!). Das Reformierte liegt genau darin, dass wir uns, wie es die Reformatoren bekannt haben, vom Wort Gottes erneuern (lat. reformare) lassen. Das geht nur in der diskursiven Auslegung der Bibel und im Vertrauen auf Gottes eigenes Handeln. Es ist trotzdem eine Suche nach dem einen, wahren Wort Gottes. Gerade eine Kirchenreform, die auf Agilität, Subsidiarität und Pluralität (die, historisch betrachtet, junge Entwicklungen in unserer Kirche sind) zielt, darf das nicht vergessen.
würde sie sünde, wie traditionell formuliert wird, von uns „abgenommen“, würden wir ihre kraft verlieren. sie wird verwandelt. die kraft der zerstörung der schöpfung wird zur kraft der bewahrung der schöpfung. jahwe und aschera sind ursprünglich zusammen. gott hat sich durch jesus christus „definiert“, „definitiv offenbart“. (eberhard jüngel) ja, würde ich sagen, als der tod des todes, die überwindung jeder trennung – was eben auch heisst als die wiedervereinigung von jahwe und aschera. wie wäre es, wenn jesus von seinen eltern gesprochen hätte? manchmal von seiner mutter, die weiss, dass wir all dieser dinge bedürfen. (mt 6.32) und manchmal von seinem vater, der sagt: so geht das nicht! und dann auch die emanzipation von der elternbindung thematisiert hätte? karl barth begann im hohen alter zu ahnen, dass wir nicht dogmatik betreiben können, nicht sagen können, wie uns das alles erscheint, ohne uns mit andern religionen auseinanderzusetzen, und, wie ich sagen würde, noch anders mit nicht-religionen.
Die Gotteserkenntnis ist allein durch Jesus Christus eindeutiger geworden. So hatte sich Gottes Volk Israel zB. (mehr oder weniger) abgemüht, die wenigen 10 Gebote nach ihrem Verständnis zu halten. Doch das reichte offenbar nicht: Dutzende mehr hatten sie sich noch selber auferlegt, obwohl ihr (und auch unser) Herr Zebaoth von ihnen (und auch uns) mit den 10 Geboten keinen Leistungsdrill mit Gebeten und Opfern sondern einzig und allein Gehorsam verlangt hat und noch immer verlangt (1Sam 15,22). Gehorsam, den wir (Juden wie Heiden) aus uns selbst heraus nicht erbringen können…
Richtig, nicht „nicht gott, sondern nur jesus christus“, sondern „gott nur durch jesus christus“, denn ohne Gott wäre Jesus nicht der Christus, sondern wie wir alle übrigen auch ein sündiger Mensch. Dann wäre alles für alle verloren.
Ferien in einem Land mit anderer „Gott“-Präsenz (siehe meinen 2. Kommentar) zu verbringen, kann mir verschiedene Eindrücke, Erkenntnisse, Erlebnisse,… bewirken. Und sollten mich bestärken, an der Einzigartigkeit und Radikalität des Lebens von Gott, nein, des Gottmenschen Jesus Christus noch mehr festzuhalten und mich vom vielen Anderen zu lösen.
„. . .und zwar als den gekreuzigten.“ (1kor 2.2) dieser paulinische zusatz in dem gleichzeitig mit unserer diskussion publizierten podcast https://www.reflab.ch/johanna-haberer-experiment-grabeskirche/ > 15:36-23:42, wo sich auch zeigt, wie ein gott den anderen verdrängt. gleichzeitig aber auch: menschen suchen das extrem, um sich zu spüren: https://www.srf.ch/audio/echo-der-zeit/extremtourismus-es-geht-darum-sich-zu-spueren?partId=12421201. die frage, ob und wie weit jesus deswegen folter und kreuzigung gesucht hat – wenn er sie gesucht hat. dann alternativen mehr bei denen, die über den körper gehen, wie zb padmasana. warum in den weltraum oder auf den meeresgrund, wenn das sich spüren auch am boden und an land möglich ist? wir suchen gott zuerst mal im himmel. im grab erwarten wir ihn nicht. aber andererseits das patriarchalische in der grabeskirche: wie weit in der botschaft jesu vom vater und nur vom vater angelegt? Ihr kommentar scheint mir eine antwort auf https://blog.ref-ag.ch/gott-im-zentrum-punkt/#comment-331696 zu sein. wenn ja: das ist mir gerade in dieser diskussion auch passiert, dass ich eine antwort als kommentar gepostet habe. 😉
es war nicht ein gott, der einen andern verdrängte, sondern ein tempel für aphrodite, der göttin der – auch sinnlichen – liebe und schönheit, wurde auf den pilgerort für jesus gebaut. das scheint mir ein sehr bemerkenswerter vorgang zu sein. die zukunft sehe ich darin, das eine nicht unter dem andern zu begraben. ihre integration, was auch heisst transformation.
@ michael vogt 16. Juli 2023 um 12:23: Dass für eine tote, weil von Menschen geschaffene, griechische Göttin ein Tempel gebaut wurde an einem Pilgerort, der für die Pilgernden (Christen) ein Ort zur Huldigung des lebendigen Gottes war: Ist das nicht ein Sakrileg?
Anders erklärt: Wie sollte eine tote, weil von Menschen geschaffene, griechische Göttin namens Aphrodite den begrabenen, auferstandenen und allmächtigen Mensch gewordenen Gott Jesus Christus begraben können, geschweige denn ein von Menschen geschaffenes, ihr gewidmetes Gebäude? Wer hatte solches getan, wer tut heute Aehnliches? Sei dies um die Integration oder Transformation einer Aphrodite, eines Buddhas, eines Zarathustras, der Esoterik, des Kapitalismus,… oder sonst einer Religion in die biblische christliche Gedankenwelt zu fordern oder sogar zu fördern? Solche wählen die weite Pforte und den breiten Weg. Gemäss Jesus Christus führt dieser zur Verdammnis (Mt 7,13). Wer hingegen rein geworden ist, soll doch rein bleiben (wollen): Seit der Wüstenwanderung des Volkes Israel (3Mo 10,10) hält der Herr Zebaoth den „11. Spiegel“ (Gebot) mit dem Namen „Reinheit“ dem jüdischen sowie christlichem Volk vor. Zu recht, denn immer lauter werden wieder die Stimmen, die nach Integration, Transformation rufen. Obwohl der Herr der Heerscharen seit rund 2’600 Jahren seinem um die Christen erweiterten Volk zuspricht: „Denn ich will euch aus den Völkern herausholen und euch aus allen Ländern sammeln und wieder in euer Land bringen, und ich will reines Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet; von all eurer Unreinheit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen.“ (Hes 36,24.25)
@ Daniel Barrer 18. Juli 2023 um 10:57: meine assoziation zum wort „spiegel“: „jetzt sehen wir wie mittels eines spiegels in rätselhafter gestalt. . .“ rätselhaft bleibt mir, wie die, welche gerettet worden und vollkommen sind, andere in der verdammnis und im verderben belassen können. „. . .dann aber von angesicht zu angesicht“, fährt paulus fort: auch die andern. aber nicht als verbrecher, die sie vielleicht einst waren, sondern als verwandelte. (1kor 13.12)
Die synoptischen Evangelien liefern drei Wortbeispiele für „Evangelium“:
»Die von Gott bestimmte Zeit ist da. Sein Reich kommt jetzt den Menschen nahe. Ändert euer Leben und glaubt dieser Guten Nachricht!« Mk 1,15
»Ändert euer Leben! Denn das Himmelreich kommt jetzt den Menschen nahe.« Mt 4,17
Und am konkretesten:
»Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu verkünden.
Den Gefangenen soll ich zurufen, dass sie frei sind, und den Blinden, dass sie sehen werden.
Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen. Ich soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.« (Jesaja 58,6 + Jesaja 61,1-2 nach) Lk 4,18f und: »Heute ist diese Stelle in der Heiligen Schriftin eurer Gegenwart in Erfüllung gegangen.« Lk 4,21
Wenn wir das ernstnehmen, wartet ganz viel Arbeit auf uns. Wenn wir lieber nur schöne Worte machen und unser Leben nicht ändern und nicht entsprechend handeln, verfehlen wir „das Evangelium“ wohl. Das wäre jetzt meine Erklärung.
Wahrscheinlich gibt es dazu aber keine Einigkeit.
(Bibelstellen nach BasisBibel)
da würde ich empfehlen, auf die meines wissens auf die reformation zurückgehende befreiende formel zurückzugehen: evangelium praedicatur ubi et quando visum est deo. ebehard jüngel hat dann noch ein „et quo modo“ (und wie) vorgeschlagen, so dass es also heisst, zeit (quando, wann), wie üblich, vorangehend: „das evangelium wird verkündet, wann, wo und wie es gott gefällt.“ also nicht beliebig, aber doch durch nichts anderes bestimmt als durch seinen letzten ursprung. „dass wir gottes ledig werden, dazu helfe uns gott.“ das gebet meister eckharts am ende einer predigt. gott bestimmt also auch, ob wir das wort „gott“ verwenden. aus der ganze formulierung geht hervor, ob wird einen punkt setzen oder ein fragezeichen. niemand kann sagen: „ich habe es für immer und für alle.“ es zeigt sich da, welche offenheit entsteht – und welche disziplin. die eks (damals sek) präzisierte: das evangelium von jesus christus. ja, wenn es gott gefällt. nein, wenn es gott nicht gefällt. grundlegend so, wie es sich selbst offenbart. da zeigt sich auch, welche entlastung die belastung „es ist nicht machbar“ darstellt. wer nun fragt: „haben wir denn da gar nichts mehr zu sagen?“ möge die teilerkenntnis verlassen, in der etwas aus dem einen kommt und aus dem andern nicht: alles aus allem. auch aus uns. grundlegender aber aus allem. oder eben anders gesagt – das vollkommene hat im unvollkommenen eine entsprechung und das unvollkommene im vollkommenen – : wie es gott gefällt. (1kor 13.9-12, 15.28)
Evangelium = Evangelisch?
Was ist «Basis der Reformieren Kirche Aargau»? Antwort offenbar: «Das Evangelium und die reformierte Tradition». Im obigen Artikel lese ich anschauliche Deutungen von «evangelisch» und «reformiert». Doch was ist konkret gemeint mit «das Evangelium»? Wie lautet die «gute Botschaft», wie erklärt «die Reformierte Kirche Aargau», was ihre «Basis» ist?
«Gott im Zentrum». Ja, natürlich, denke ich. Und frage, wo denn kein «Gott» im Zentrum steht. – Und bin dann dankbar für die vorgängige Erklärung zum Begriff «reformiert», in der ich Anklänge an die Trinität finde. Auf diese beruft sich ja, in der Näherbestimmung von «Gott», auch die genannte Arbeitsgruppe in ihrem Bericht. Zitat daraus: „Wir bieten mit der Nennung von Ps 127,1 einen Interpretationsrahmen, nämlich die Bibel Alten und Neuen Testaments. Des Weiteren gehen wir in den Spuren der Tradition und berufen uns auf das trinitarische Gottesbild von Gott Vater, Sohn und Heilige Geistkraft.“
Unser «Zentrum» wäre somit definiert? Nun fehlt mir noch die (Er-)Klärung der «Basis», eine Näherbestimmung dessen, worin für uns als Kirche «das Evangelium» besteht.
Liebe Frau Dietiker
Ich teile Ihre zwei wichtigen Fragen. Wo steht denn „Gott“ nicht im Zentrum? Vielleicht in einer Kirche, die „Gott“ im Himmel predigt oder in längst vergangenen Zeiten und nicht im Jetzt oder im Jetzt dann? Mich begeistert das schlichte „Gott im Zentrum. Punkt.“ immer noch. Auch weil wir uns bewegen müssen, wenn wir von „Gott“ sprechen vor allem im Aussen, im Umfassenden oder auch in der Verbindung zwischen allem, was geschaffen ist und wird. Aber kann man das definieren? Wäre vielleicht ein Fragezeichen besser als ein Punkt?
Was heisst „Evangelium“ wie lautet die frohe Botschaft? Was für eine Botschaft macht Sie froh? Schliesst eine echt frohe Botschaft vielleicht ein, dass Menschen gesehen und gehört werden, und kann sie besser geteilt werden, wenn frohe Botschaft mehr Austausch als Einbahnstrasse ist? Wo hören wir frohe Botschaft? Was macht sie mit uns? Darüber könnten wir in den Kirchen austauschen.
Herzliche Grüsse
da würde ich empfehlen, auf die meines wissens auf die reformation zurückgehende befreiende formel zurückzugehen: evangelium praedicatur ubi et quando visum est deo. ebehard jüngel hat dann noch ein „et quo modo“ (und wie) vorgeschlagen, so dass es also heisst, zeit (quando, wann), wie üblich, vorangehend: „das evangelium wird verkündet, wann, wo und wie es gott gefällt.“ also nicht beliebig, aber doch durch nichts anderes bestimmt als durch seinen letzten ursprung. „dass wir gottes ledig werden, dazu helfe uns gott.“ das gebet meister eckharts am ende einer predigt. gott bestimmt also auch, ob wir das wort „gott“ verwenden. aus der ganzen formulierung geht hervor, ob wird einen punkt setzen oder ein fragezeichen. niemand kann sagen: „ich habe es für immer und für alle.“ es zeigt sich da, welche offenheit entsteht – und welche disziplin. die eks (damals sek) präzisierte: das evangelium von jesus christus. ja, wenn es gott gefällt. nein, wenn es gott nicht gefällt. grundlegend so, wie es sich selbst offenbart. da zeigt sich auch, welche entlastung die belastung „es ist nicht machbar“ darstellt. wer nun fragt: „haben wir denn da gar nichts mehr zu sagen?“ möge die teilerkenntnis verlassen, in der etwas aus dem einen kommt und aus dem andern nicht: alles aus allem. auch aus uns. grundlegender aber aus allem. oder eben anders gesagt – das vollkommene hat im unvollkommenen eine entsprechung und das unvollkommene im vollkommenen – : wie es gott gefällt. (1kor 13.9-12, 15.28)
Lieber Herr Pfeiffer
Zunächst, ja, gerne, in unseren Kirchgemeinden Austausch, über Fragen, Erfahrungen, Erkenntnisse, …. Gerne „evangelisch“, (siehe „Kolumne“ oben).
Gerne also so etwas wie „theologische Foren“, wie im Bericht Ihrer Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Gerne Foren „dezidiert“ für christliche Theologie, denn anderes finde ich problemlos anderswo. Ich würde Sie dann z.B. fragen, was Sie (christlich theologisch) unter „Himmel“ verstehen. Und Ihnen, auf Ihre Anfrage hin, erzählen, was mich, immer wieder, froh macht.
Meine Frage nach dem Evangelium möchte ich gestellt bleiben lassen. Da steht nun mal, als sogenannt erstes Prinzip, Basis unserer Kirche sei DAS Evangelium (und die reformierte Tradition). Damit steht da, meiner Erkenntnis nach zurecht, ein Singular. Was aber ist dessen Inhalt, wie erklären wir, was „Basis“ unserer Kirche ist? Ich leide mit, mit Christoph Weber Berg: „es ist gar nicht so einfach, Begriffe zu erklären, die so umfassend sind, dass sie alles sagen – und damit eigentlich nichts…“. Doch hat man sich offenbar entschieden, die „Basis“ mit einem Begriff zu bestimmen, und ich bitte um dessen (Er-)Klärung.
evangelium ist eine siegesbotschaft: der sieg über den tod. etwas weniger martialisch ausgedrückt: die verwandlung von tod in leben. die überwindung jeder trennung. „alles in allem“, wie paulus sagt. (1kor 15.26-28) darauf läuft auch die reformierte tradition hinaus, finde ich. im zentrum ist gott insofern, als keine autoritäten dazwischen kommen. und doch möchte ich mehr zur geltung bringen, dass der tod des tötenden und zerstörenden todes und seine verwandlung in lebendig machendes leben nicht nur im theismus geschieht. integration wäre das wort, unter berücksichtigung, dass integration immer auch transformation heisst, aller beteiligter. eine „such und weggemeinschaft“ im „dialog mit der schrift“ (wie refbejuso schon sagte), die in den drei worten „alles in allem“ die vereinigung von allem, die alles verändernde vereinigung von allem mit allem thematisiert.
Jesus Christus im Zentrum – Punkt.
Jesus 1 – Ausrufezeichen!
Warum Jesus Christus und nicht Gott im Zentrum? Was wird anders, wenn Sie das so formulieren?
Was hat Jesus als der Gesalbte Gottes, was Gott nicht hat? Was gewinnen Sie, wenn Sie nicht Gott, sondern nur seinen Sohn und Überbringer seiner Guten Botschaft in Ihr Innerstes einlassen?
Wer „Gott“ bevorzugt, lässt sehr viel Spielraum, denn welcher Gott ist gemeint? Der Gott der Atheistinnen, der Buddhisten, der Christinnen, der Gewalt, der Hinduistinnen, des Mammons, der Muslime, der Politik, der Sexistinnen, der Wirtschaft,…? Martin Luther sagte: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“
Jesus Christus spricht: Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt(!), der hat auch den Vater (1Joh 2,23). Mit vielen Menschen kann ich nicht über Gott sprechen. Und von denjenigen, mit denen ich über Gott sprechen kann, kann ich mit wenigen auch über Jesus Christus sprechen: Jesus Christus scheidet diese Welt!
Andererseits verdanken wir es ihm, dass er die Trennung zwischen dem heiligen, also von der sündigen Welt abgesonderten, Gott und der sündigen Welt überwunden hat. Gott können, ja sollen wir uns nicht vorstellen, Jesus Christus hingegen, der Mensch gewordene Gott (Phil 2,7), ist uns so nahe gekommen, ähnlich geworden, dass wir ausnahmslos alle bekennen müssen, dass wir sündige Menschen sind. Wer den Sohn Gottes, der Ueberbringer der guten Nachricht des Vaters (Joh 14,10) in ihr, sein Herz lässt, dem ist Gott bereits zuvorgekommen.
das wie ist eine frage des wo und des wann. die gotteserkenntnis wird unter umständen durch jesus christus eindeutiger. das kann gut sein, je nachdem sogar unabdingbar. an einem andern ort und zu einer andern zeit kann das weniger eindeutige, weniger eingegrenzte besser sein. daniel barrer sagt, wenn ich recht verstehe, nicht „nicht gott, sondern nur jesus christus“, sondern „gott nur durch jesus christus“. „je nachdem“ kann ich dem zustimmen. der akzent liegt aber bei mir so, dass es gut ist, wenn wir in andern religionen und nicht-religionen ferien machen und diese ferienerfahrungen dann in unseren alltag integrieren. hoffe, mich damit nicht so breit gemacht zu haben, dass daniel barrer nicht mehr antwortet. . .
„Im Namen Jesu Christi von Nazareth,… Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apg 4,10.12)
Nicht „nur seinen Sohn“, sondern der Sohn UND der Vater: „Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater.“ (1Joh 2,23)