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Jesus tot sein lassen

Foto: Jesus tot sein lassen

Beim Anhören von Gebeten an den Herrn Jesus, mit Bitten oder Dank für alles, was er tue, wird mir immer leicht unwohl. Dieser Mann ist doch schon seit rund zweitausend Jahren tot!

Ich weiss nicht recht, wie ich mein Unbehagen in Worte fassen soll. Empfinde ich das vielleicht als eine Art Leichenfledderei? Oder als fixe Idee, dass dieser Jesus aus Nazareth heute noch „da draussen“ wirksam sei und die Welt nach seinen Ideen gestalte? Oder als Pietätslosigkeit, diesem Menschen auch nach so langer Zeit keine Totenruhe zu gönnen?
Sollten wir Jesus nicht langsam in Ruhe lassen?

Dieser Mann ist doch schon seit rund zweitausend Jahren tot!

Aber ist Jesus nicht auferstanden, und hoffen wir nicht alle, dass wir ihm dereinst persönlich begegnen, wenn wir einmal unser Wölkchen im Himmel beziehen? Und würden wir dann nicht erwarten, dass er uns alle mit Namen kennt und uns für alles, was wir für ihn getan haben in unserem Leben danken wird?

Genau das meine ich mit «keine Ruhe gönnen».

So, wie ich Jesus kenne, ist er für mich vor allem eine literarische Figur und eine gewaltige Inspirationsquelle. Ein Vorbild. Ein Mutmacher. Höchstens in betrunkenem Zustand käme ich auf die Idee, ihn personal anzureden.

Denn er ist ja auferstanden. Er ist nicht mehr bei den Toten, die vergessen werden, und über die ich erzählen kann, was ich will. Er ist als Christus bei denen, die über den Tod hinaus in uns weiterwirken. Wenn wir ins gemeinsame Handeln kommen, werden wir alle «Leib Christi». Wenn wir Schwächeren Hand bieten, erleben wir Gegenwart Christi in anderen Menschen und in uns.

Christus ist auferstanden, heisst für mich nicht, dass Jesus persönlich noch lebt, denn dann wäre er eine Art Zombie oder Vampyr, ein Wiedergänger wie in der Geschichte von den Jüngern auf dem See. Christus ist auferstanden heisst für mich, dass wir leben und nicht als seelenlose Zombies über andere herfallen sollen oder als nimmersatte Vampire alles Leben um uns herum aussaugen. Christus ist auferstanden heisst: Steh auf, nimm dein Bett und geh! Du kannst es!
Christus ist auferstanden birgt auch Überraschungen, wer alles auch noch der kosmischen Bewegung hin zu Frieden und Versöhnung Körper und Seele zur Verfügung stellt. Christus ist in Verbindung mit allem Leben, auch mit dem, was allen Erwartungen widerspricht.

Der vergängliche Mensch Jesus hat freiwillig oder gezwungenermassen alles verschenkt, was er nur konnte. Vielleicht ist das auch etwas überzeichnet, und der wahre Kern darin bescheidener. Aber diese Gabe können wir ehren, indem wir es ihm gleich tun.

Wir sind christlich„, klingt für mich als Aussage blutlos und leer. Der Satz wirkt auf mich oft wie eine Ausrede, um nicht selber hinzustehen, sondern nur eine Fantasiegestalt um etwas zu bitten, was nie wirklich eintrifft, solange wir nicht unser Leben anderen zuwenden und uns in den Leib des Auferstandenen verwandeln.
Wir sind Christus – in unendlicher Vielfalt. Immer aktuell, dem Leben zugewandt, überraschend.

Verschenken wir, was wir zu verschenken haben!

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Verfasst von Simon Pfeiffer

Als ehemaliger Gemeindepfarrer auf der Fachstelle Pädagogisches Handeln, als miterziehender Vater in Teilzeitanstellung, als christlich geprägter Theologe mit Islamwissenschaftsstudium und Germanist mit Vorliebe für Mittelalter, Krimis und Fantasy lese und höre ich vielerlei. Gerne erprobe ich neues Wissen im Dialog. Und sehr gerne denke und spüre ich über Grenzen hinweg. Ich arbeite mit in der Arbeitsgruppe 1 "Inhalt und Botschaft".

5 Kommentare

  1. Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner grossen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.
    1. Petrus 1,3

    • Du sollst dir kein Bild von Gott machen! Nichts, was im Himmel und auf der Erde ist und im Wasser unter der Erde, kann ihn darstellen.
      2. Mose 20,4

      • man muss sich mal ein bild davon machen, wer dann alles gegen ein so verstandenes bilderverbot verstossen hätte, jesus zb. wenn Sie sagen „ihn“, ist es ja bereits geschehen. last but not least niemand geringeres als auch Sie, lieber herr pfeiffer, wären dann also ein solch ungehorsamer. aber in guter gemeinschaft. meine meinung ist die: zuerst mal ist gemeint, dass man sich keine statue machen soll, um sich davor niederzuwerfen. das wahrheitsmoment der aussage, dass man sich in keiner weise ein bild machen soll, sehe ich darin, dass solche bilder, also auch alle worte, unvollkommen bleiben und, wenn das vollkommene kommt, abgetan werden. das unvollkommene hat aber im vollkommenen eine entsprechung. das vollkommene offenbart sich durch das unvollkommene – und durch sein abgetanwerden. zu bedenken noch, dass ein wort nicht unbedingt ein bild ist. kommt es auf der achten bewusstseinsebene, wie ich das nenne, bei uns an, ist es nicht ein bild. es ist eine eigenheit unserer psychologielastigen zeit, immer gleich auf die bildebene zu gehen. damit „machen“ wir ein wort zu einem „bild“, was zum verstehen und zur erfahrung nicht immer beiträgt. das vollkommene offenbart sich durch das unvollkommene selbst. insofern ist das unvollkommene vollkommen. andererseits ist es gut zu wissen, dass das unvollkommene etwas aussagt, aber nicht alles – wenn es auch anders eben doch alles aussagt. . . (1kor 13.9-12, 15.28)

      • Simon Pfeiffer 17. April 2023 um 14:51

        Lieber Herr Vogt

        Gute Bilder lassen sich ja auch immer wieder neu aus anderer Perspektive betrachten. Oder in Klang umsetzen. Klang und Mitklingen wäre für mich dem festen, in meinen Augen unguten weil einschränkenden Bild vorzuziehen.
        Als Klangbeispiel passend zum Thema die Stimme von br. Jan zu „Warum wir in der wilden Kirche an ein Leben vor dem Tod glauben„(Link)

  2. „christus ist auferstanden heisst für mich, dass wir leben.“ woher kommt es aber, dass wir leben? der tod ist im weg. oder eben nicht mehr im weg. weil unser „leib des todes“ (rm 7.24) „mit ihm begraben“ ist. . .“damit, wie christus durch die herrlichkeit des vaters von den toten auferweckt worden ist, so auch wir in einem neuen leben wandeln.“ (6.4) auf dem weg zur erleuchtung wankt man mitunter betäubt einher wie ein zombie. in ihrer erfahrung ist aber alles wieder da. ein gleichnis aus raum und zeit für etwas noch anderes als raum und zeit. nach oder eben mehr als nach dem tod.

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