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Kirchenreform: Inhalt und Botschaft der Kirche

zwei Kugeln, die aufeinander ruhen unter zwei Bögen, die aufeinander ruhen in der Abendsonne

Verfasst von Samuel Jakob, Gontenschwil

«Gott im Zentrum. Punkt.» (so die Arbeitsgruppe) – Mit welchem Gottesbild?

Mit dem Begriff «Gott», dem nach Martin Buber missbrauchtesten aller Begriffe, ist heute vorsichtig und kirchenselbstkritisch umzugehen: Viele Menschen haben Mühe mit einem personalen (traditionellen) Verständnis Gottes, der nur radikal getrennt von Allem und von uns Menschen irgendwo in einem «Jenseits» gedacht wird. Diese von den Reformatoren und insbesondere von Karl Barth überbetonte Unterscheidung ist jedoch keine radikale Trennung: Gott lebt in uns Menschen und allem, was gegeben ist (Pan-Entheismus). Die im Filioque-Streit dem Westen verloren gegangene orthodox-christliche Sicht der «Energien Gottes» in Allem (Plural!) holen sich viele Zeitgenossen heute in fernöstlichen Religionen (Buddha-Natur), obschon Wichtiges aus der eigenen frühkirchlichen Tradition wieder zu integrieren wäre: z.B. indem man «Natur» als göttlich beseelte Schöpfung versteht. Die apersonale Dimension des Göttlichen, wie sie uns aus der asiatische Spiritualität entgegenkommt, ist heute vielen Zeitgenossen zu Recht wichtig. Diese Entwicklung ist m.E. nicht nur von soziologischer, sondern von theologischer Relevanz! Theologie und Geistesgeschichte sind in den letzten 500 Jahren nicht stillgestanden!
Ist die Aargauer Kirche bereit, reformatorische theologische Positionen im Dialog mit allen mit der Gottesfrage engagierten Menschen weiterzuentwickeln, damit ein ‘ganzeres’ Evangelium im Aargau zum Leuchten kommt?

Welches Kirchenbild?

Die Arbeitsgruppe 1 schreibt in ihrem Bericht: «Das Evangelium sträubt sich gegen die soziologischen Megatrends. Was darin verkündet wird, bleibt unveränderlich. Die handlungsweisende Frage für die Kirchenreform kann somit nicht sein: Wie bleiben wir als Kirche gesellschaftlich möglichst relevant? Die Frage lautet: Wie gestalten wir Kirche, damit wir das Evangelium verkünden können? Wir schätzen die reformierte Offenheit und wollen sie pflegen, wollen aber der Beliebigkeit keinen Raum bieten.»
Ich möchte an Emil Brunner und sein «Missverständnis der Kirche» zu erinnern: Primäre Aufgabe der Kirche als Institution ist es, Ekklesia zu ermöglichen: Nämlich, dass die communio sanctorum im Aargau wachsen, und das Evangelium in der Gesellschaft des Kantons Aargau auch heute seine heilsame und heilvolle Wirkung neu entfalten kann. «Ekklesia» umfasst dabei alle spirituell engagierten Menschen jenseits ihrer Konfessionen und Religionen, denn Gott ist mit allen Menschen unterwegs. Die reformierte Kirche Aargau braucht in ihrem Anliegen, Gott und seine Schöpfung im Aargau ins Zentrum zu stellen, den Kontakt, das gegenseitige Lernen und die Zusammenarbeit mit allen Menschen als Ebenbilder Gottes: In jedem Menschen kommt uns letztlich auch Christus entgegen. Das Evangelium ist mehr als soziologische Megatrends. Aber in jeder Zeit ist zwischen Zeitgeist und ZEIT-Geist kritisch-offen zu unterscheiden, um «Das Unterscheidend Christliche» (Romano Guardini), welches nicht unveränderlich ist, immer wieder neu zu finden und zu profilieren. Eine Pluralität des Gottes-, Glaubens- und Zeitverständnisses gehört zur DNA der Reformierten Kirche – ebenso der Dialog als Suchgemeinschaft. Wo dieser Dialog mit Bezug zur Präambel der Aargauer Kirchenordnung als Referenz geführt wird, gibt es immer Konsens und Dissens, jedoch keine undefinierte Beliebigkeit. Der Beliebigkeit gar keinen Raum bieten zu wollen, ist illusionär: Es wird immer unterschiedliche Interpretationen geben, die jedoch weiteren Streit um die Wahrheit erfordern, wie die ganze Kirchengeschichte seit biblischen Zeiten weiss.

Kirche als diakonische Weg- und Suchgemeinschaft

Die Arbeitsgruppe 1 schreibt in ihrem Bericht: «Gott bleibt unverfügbar. Uns Menschen trauen wir einen Sinn und Geschmack fürs Unendliche zu. Da ist Sehnsucht in unseren Herzen, da ist unsere Kapazität zu staunen und erkennen zu wollen. Erfahrungen werden nicht nur mit dem Kopf gemacht, sondern mit dem Herzen, mit den Händen und in unseren Seelen. Als Kirche bieten wir den Menschen einen dezidiert christlichen Erfahrungsraum für ihre Sehnsucht, für ihr Staunen und ihr Erkennenwollen an.»
Hier würde ich ergänzen: Einerseits ist Gott unverfügbar – andererseits zählt er auf uns, im Sinn von Martin Bubers «Gott wohnt, wo man ihn einlässt!» (im Aargau!). Uns dem Unverfügbaren zu öffnen, ist unser aktiver Beitrag. Als Kirche bietet die Aargauer Kirche nicht nur einen Erfahrungsraum für Sehnsüchte, Staunen und Erkennenwollen an, sondern auch für konkretes Leben und Engagement aus Glauben. Botschaft und Inhalt wollen erlebt und gelebt werden, für ihre Zeit konkrete und kräftige Gestalt finden: Wort (Botschaft) und Tat sind nach reformiertem Verständnis eine Einheit. Solidarische Gemeinschaften am Ort aufzubauen und zu leben, insbesondere mit Menschen, die gesellschaftlich zwischen alle Stühle und Bänke fallen (nicht nur alte Menschen!), sind in unserer individualisierten Gesellschaft ein Desiderat für Kirchgemeinden für die nächsten Jahre! Die Heilsarmee und etliche Freikirchen können hier als Vorbilder für diakonische Gemeinschaften wirken: Die Kirche ist keine (diakonische) Dienstleistungsorganisation, sondern eine offene diakonische Weg- und Suchgemeinschaft, die an ihrem politischen Ort (Polis) Gemeinschaft aus dem Geist der Liebe fördert, und immer wieder wach und flexibel «der Stadt Bestes» sucht. Dies ist weit mehr als bloss kircheninterne Mitgliedschaftspflege!

Geistlicher Aufbruch

Die Arbeitsgruppe 1 schreibt in ihrem Bericht: «Wir sehnen uns nach einem geistlichen Aufbruch. Let’s celebrate! Als reformierte Kirche glauben wir vielfältig. Diese Vielfalt gilt es zu hegen und zu pflegen. Geistlicher Aufbruch geschieht nicht, wenn wir uns von den parochialen Grenzen einschränken lassen. Die Landeskirche stellt Gefässe, Möglichkeiten und Ressourcen zur Verfügung, damit Menschen ermächtigt werden können, ihre Gottesbeziehungen zu leben und gemeinsam aufzubrechen in ihrer Gemeinde sowie über die Gemeindegrenze hinweg.»
Let’s celebrate: Es ist bereits mehr als wir oft meinen an «Aufbruch» da, wenn wir den Blick auf die Welt jenseits der Institution Kirche in unsere Gesellschaft hinein öffnen! Viele Menschen sind – extra muros – sichtbar und unsichtbar Zeugnis für einen lebendigen Gottes- und Lebensglauben, mit viel echter Liebe unterwegs. «Geistlicher Aufbruch» geschieht auch ausserhalb der Kirche. Aber nimmt die Kirche ihn wahr und lässt sich davon inspirieren – oder rümpft sie die Nase, weil ihr vieles davon nicht ganz koscher erscheint und sie lieber in ihrem Ghetto bleibt? Die Reformation war vor 500 Jahren eine inhaltliche Revolution. Das damalige «semper reformanda» – dass sich die Kirche auch inhaltlich immer wieder erneuern muss – scheint jedoch in tiefe Vergessenheit geraten

Theologisch verantworteter Synkretismus

Die Arbeitsgruppe 1 schreibt: «Wir sehen die Landeskirche in der Verantwortung, Gefässe zu schaffen, um über theologische Themen zu diskutieren. Diese Gefässe müssen öffentlich sein und in einer Form stattfinden, in der sich auch Menschen ohne Theologiestudium wohlfühlen und beteiligen. Es geht uns darum, Toleranz im Wortsinn zu schaffen (lat. tolerare = ertragen, aushalten, erdulden). Das Ziel soll nicht sein, Menschen, die unterschiedliche theologische Standpunkte vertreten und unterschiedliche Hermeneutiken pflegen, zu besten Freund:innen zu machen. Das Ziel ist es, Brüder und Schwestern in Christus zu bleiben.»
Ich finde sowohl diese Idee, sowie beim tolerare zu bleiben, sehr gut! Ich schlage vor, dass eine breit und kompetent zusammengesetzte (theologische) Kommission diese Gefässe, die Themen und die Moderation qualifiziert plant. Sie sollte personell interdisziplinär zusammengesetzt und offen sein für spirituelle und theologische Standpunkte und Hermeneutiken, die nicht aus der reformierten oder üblichen christlichen Tradition stammen (z.B. Zen, Sufismus, Orthodoxie Esoterik, Reinkarnation etc). Walter Hollenweger hat dazu bereits in den 90er-Jahren die Perspektive eines «theologisch verantworteten Synkretismus» vorgeschlagen (was das Christentum immer schon war!). Hollenweger entwickelte dazu sogar Dissens-Liturgien, z.B. «Gäste und Gegner», um trotz fundamentalem Dissens im Verständnis von «Gott im Zentrum.Punkt» Brüder und Schwestern in Christus bleiben, sogar zusammen Eucharistie feiern zu können.
Dies ist heute mehr denn je angesagt: Bereits 1989 glaubten z.B. über 35% der befragten Schweizer/innen, die an Jesus Christus glauben, gleichzeitig auch an Reinkarnation (Studie «Jede/r ein Sonderfall? Religion in der Schweiz, Ergebnisse einer Repräsentativbefragung.»). Diese Zahl hat seither zugenommen (ich selber gehöre inzwischen auch in diese Kategorie!), wird aber von den reformierten Kirchen bisher theologisch nur defensiv wahrgenommen, statt als mögliche Erweiterung der tradierten Dimensionen des Erlösungswerks Jesu (wie sie das für mich und viele ist).
Ich hoffe, dass die Handlungsanweisungen der Arbeitsgruppe eine überfällige, offene, tatsächlich erneuernde und nachhaltig wirkende Diskussion zu Inhalt und Botschaft unserer Kirche auslösen: Gott im Zentrum, «wie im Himmel, so im Aargau»!

Verfasst von Samuel Jakob, Gontenschwil

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

9 Kommentare

  1. Benjamin Rodriguez 31. Mai 2024 um 11:48 Antworten

    Zu Recht steht in der Kirchenordnung unserer Landeskirche, dass der tragende Grund der Kirche der Glaube an die umfassende Liebe Gottes, wie sie sich in Jesus Christus offenbart, und der Glaube an den dreieinigen Gott, ist. Damit haben wir ein definiertes Gottesbild. Zudem ist die radikale Trennung zwischen Gott und Mensch in Jesus überwunden, weil Gott in Jesus Mensch wurde.
    Wir täten gut daran, ihn wieder ins Zentrum der Verkündigung zu setzen. Nicht als theologische Chiffre, die je nach theologischer Haltung unterschiedlich gefüllt werden kann, und wo wir uns trotzdem als «Brüder und Schwestern in Christus» bezeichnen können. Sondern ihn ins Zentrum zu setzen und zu verkündigen im Sinne des Apostolikums.
    Mit theologisch verantwortetem Synkretismus schafft man vielleicht ein paar Brücken zu aktuellen spirituellen Bedürfnissen. Aber langfristig verabschiedet man sich so vom historischen Christentum und aus der Gemeinschaft des weltweiten Christentums.

    • In meinem Beitrag wies ich selber auf die Kirchenordnung hin: «Wo dieser Dialog mit Bezug zur Präambel der Aargauer Kirchenordnung als Referenz geführt wird, gibt es immer Konsens und Dissens, jedoch keine undefinierte Beliebigkeit.»
      Damit haben wir jedoch mitnichten schon ein inhaltlich «definiertes Gottesbild», weil sowohl um die «Liebe», was genau sich in Jesus Christus «offenbart», und erst recht, was unter einem «dreieinigen Gott» verstanden wird, in der ganzen Kirchengeschichte und bis heute gerungen wird, diese Geheimnisse zu verstehen.

      Ob uns eine menschliche Formel aus dem 6. Jahrhundert (das Apostolikum) heute hinreichend dabei helfen kann, bezweifle ich. Unsere Kirche ist bekenntnisfrei (nicht bekenntnislos, wie die Präambel der KO zeigt), weil sie aus theologischen Gründen sich auf keine menschlichen Bekenntnisse und Interpretationen stützen will.
      Es geht mir beim Regulativ eines «theologisch verantworteten Synkretismus» nicht um «aktuelle spirituelle Bedürfnisse», sondern um Facetten der Wahrheit ausserhalb unserer reformierten Prägung. Da gibt es viele wertvolle Beiträge, welche uns helfen, das Evangelium in seiner Fülle ganz neu zu entdecken. (Sogar die katholische Kirche hat sich 1965 (Nostra aetate) für Wahrheiten anderer Religionen geöffnet und führt seither (lernoffen!) verschiedene interreligiöse Dialoge.)
      Die Weichenstellungen der Reformation waren damals richtig und wichtig (führten zwar sogar zu einer Kirchentrennung, aber nicht zur «Verabschiedung aus der Gemeinschaft des weltweiten Christentums»). Aber jedes Korrektiv in der Kirchengeschichte führte im Verlauf zu Engführungen und Einseitigkeiten, die erneut der Korrektur und Ergänzung bedurften und bedürfen (wie etwa Charles Taylor in seiner umfassenden Studie «Ein säkulares Zeitalter» aufzeigt). Solche Korrekturen stehen m.E. auch heute neu an. Ein offener Dialog zu den Grundfragen des Glaubens läuft heute vielerorts. Er ist auch längst überfällig innerhalb der Kirche (insbesondere auch in der Pfarrschaft, der versammelten theologischen Potenz unserer Kirche!).
      Es geht mir um die Wahrheitsfrage (also um eine hermeneutische Ebene). Das «historische Christentum» hat sich immer weiterentwickelt, und dies schon immer als «theologisch verantworteter Synkretismus», wie schon die Anfänge der christlichen Theologie und ihr Fortgang bis heute zeigen. Jede Generation muss diesen Dialog (und Streit) um die Wahrheit und den Kern des christlichen Glaubens weiterführen. Auch Bekenntniskirchen können sich dies nicht ersparen. Wer hat Angst vor solchem «semper reformanda»? Wir dürfen darauf vertrauen und damit rechnen, dass das Evangelium (und Gott) uns mit vielen bisher noch unentdeckten Entdeckungen und neuen Einsichten überraschen wird. Viele traditionelle Gottesbilder (und Bilder über Jesus Christus) müssen heute entstaubt und weitergezeichnet werden – nicht beliebig, aber lernoffen, und durchaus in einer kritischen Unterscheidung der Geister (dies meine ich mit dem Unterschied zwischen Zeitgeist und ZEITGeist)!

      • „der riss geht durch“, sagte, mit einem lachen im gesicht, eine studienkollegin in den achtzigern, als sie sich in der vorlesungspause nach einer stunde, in der karl barth vorkam, erhob. es sei nochmal eingeräumt, dass gott und mensch bei barth tatsächlich radikal getrennt sind, dass es bei ihm zuerst mal keine gotteserkenntnis gibt ausserhalb der offenbarung durch jesus christus. im hohen alter sagt er allerdings, er müsste vielleicht seine „kirchliche dogmatik“ neu schreiben, und zwar mehr im dialog mit den anderen religionen. unter „Replik zur Kirche in der Krise: Alte Zöpfe infrage stellen – und abschneiden“ findet man einen aktuellen beitrag von barth (inklusive diskussion), diesmal mit dem vornamen matthias.

  2. „Gott lebt in uns Menschen und allem, was gegeben ist (Pan-Entheismus).“ so interpretieren die mir bekannten auslegungen 1kor 15.28: gott ganz in allem. zweifellos. „damit gott sei alles in allem“ heisst aber noch etwas anderes. ist gott die vereinigung von allem, ist die zweiheit von gott und schöpfung aufgehoben: verneint, aber auch bewahrt. gemäss der logik der drei worte „alles in allem“ wandert das von paulus vereinnahmend vorangestellte wort „gott“, im griechischen orignaltext als theόs zudem akzentuiert männlich, in sie hinein. die vereinigung von allem, auch als als liebe bekannt, muss demnach nicht unbedingt „gott“ genannt werden. gott ist überall, nicht nur im zentrum. das leben ist mehr als raum und zeit, ein einzelnes nicht nur an einem ort oder zu einer zeit, immer überall, nicht nur sich selbst, sondern – in allem alles – alles. allerdings sind raum und zeit in dem noch anderen als raum und zeit integriert, und die vereinigung von allem kann „gott“ genannt werden. „gott im zentrum“ sagt also etwas aus – und doch finde ich, dass unsere kirche einen schritt weiter gehen sollte. „Die apersonale Dimension des Göttlichen, wie sie uns aus der asiatische Spiritualität entgegenkommt, ist heute vielen Zeitgenossen zu Recht wichtig.“ arational ist die freie beziehung zu rationalen und prärationalen inhalten. aperspektivisch die freie beziehung zu verschiedenen perspektiven. apersonal die freie bezieung zum personalen gottesverständnis respektive zur personalität der vereinigung von allem. sie*er ist mehr als person, aber personähnlich. das sage ich in anlehnung an jean gebser, mit dessen philosophie der entwicklung des menschlichen bewusstseins pater lassalle uns auf seinen zen-sesshins bekannt gemacht hat. „Viele Menschen haben Mühe mit einem personalen (traditionellen) Verständnis Gottes, der nur radikal getrennt von Allem und von uns Menschen irgendwo in einem «Jenseits» gedacht wird. Diese von den Reformatoren und insbesondere von Karl Barth überbetonte Unterscheidung ist jedoch keine radikale Trennung. . .“ ja, sie ist bei luther und barth nicht eine radikale trennung, sondern eine radikale unterschiedenheit. sie sind ja beide der meinung, dass gott aus dem jenseits ins diesseits hineinkommt. den in dieser tradition stehenden theologen eberhard jüngel habe ich mitte achtzigerjahre mal gefragt: „was heisst das: ‚damit gott sei alles in allem‘?“ „Sie werden in schwierigkeiten geraten.“ obschon nicht eingetreten, die beste antwort, die ich gefunden habe. die „schwierigkeit“ besteht wohl eben in der nicht-zweiheit, die in der zitierten stelle zum ausdruck kommt, die aber eine grosse verheissung ist: die versöhnung von vernunft und offenbarung, theismus und atheismus, religion und nicht-religion, dem vollkommenen und dem unvollkommenen erkennen (1kor 13.9-12) – von allem*n mit allem*n. als wink an den verfasser und an alle diesen freund oder feind tabuisierenden: dazu gehört auch der tod und seine integration in das leben, seine transformation in lebendig machendes leben.

    • es ist mir nicht ganz gelungen zu sagen, was ich sagen wollte: die radikale trennung von gott und mensch verliert ihre unheimlichkeit durch die vervollständigung des gedankens, dass das hauptthema der theologie auch bei karl barth die überwindung dieser trennung ist. habe luther erwähnt und nicht die reformation, weil zwingli sagt: „in ihrem höchsten stimmen die andern mit uns überein.“ (zit adg – gemeint sind, wenn ich mich recht erinnere, die andern religionen)

    • Martin Breitenfeldt 29. Mai 2024 um 10:41 Antworten

      Alles sehr richtig und klug. Aber: Ist das nicht genau der Sprech, bei dem es Nicht-Studierten nach 1/2 Satz abstellt? Wenn Einsichten lebensrelevant sein wollen, sollten sie vielleicht lebensnah formuliert sein.

  3. Ein sehr inspirierender Beitrag!

    Mit „…Gott ist mit allen Menschen unterwegs. Die reformierte Kirche Aargau braucht in ihrem Anliegen, Gott und seine Schöpfung im Aargau ins Zentrum zu stellen, den Kontakt, das gegenseitige Lernen und die Zusammenarbeit mit allen Menschen als Ebenbilder Gottes: In jedem Menschen kommt uns letztlich auch Christus entgegen. …“ bringen Sie sehr schön auf den Punkt, was ich damals in der Arbeitsgruppe mit „Gott im Zentrum. Punkt.“ personlich verbunden habe.

    Allein und gemeinsam sind wir Ringende um Verstehen, um Sinn, darum, Liebe noch besser ins Zusammenspiel zu bringen. Das gelingt uns besser, wenn wir echt aufeinander hören. Dass sich aktuell viel Spannendes und Wegweisendes ausserhalb unserer eng gewordenen Kirchen abspielt, muss ja nicht so bleiben.

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