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Konfessionsübergreifend gemeinsam beten

Foto: Konfessionsübergreifend gemeinsam beten

Die Kirchgemeinde Buchs-Rohr beherbergt in ihrer Kirche immer wieder eine eritreische orthodoxe Gemeinde. Kirchenpflegepräsident Roland Bialek beschreibt, wie er deren Gebetswoche im vergangenen Jahr erlebte.

verfasst von Roland Bialek, Präsident der Kirchgemeinde Buchs-Rohr

Gut in Erinnerung bleibt mir die Begegnung mit dem Vertreter der eritreischen orthodoxen Kirche. Diese Gemeinde suchte einen Raum für das Gebet in der Woche vor Ostern und fragte mich, ob dies in unserem Kirchenraum möglich sei. Auf die Frage, wann sie denn beten wollen, schaute der eritreische Mann mich leicht verunsichert an und antwortete, am besten von Montag bis Freitag, jeweils von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends. Ich staunte und dachte, wenn es einen Grund für einen Kirchenraum gibt, dann gehört sicher das Gebet dazu. Heute gehört der Blick auf den orthodoxen Kalender und die Berücksichtigung der Gebetswoche zu unserer Jahresplanung.

Nach dem Besuch des Sekretariats unserer Kirchgemeinde und der Erledigung der administrativen Aufgaben möchte ich einen Blick eritreische Gebetswoche in unserer Kirche werfen. Nach altorientalischer Sitte ziehe ich die Schuhe vor dem Eintritt in den Kirchenraum aus und stelle sie in die Reihe der verschiedenen Schuhe vor der Kirchentür. Ich trete leise ein und blicke auf die grossen Ikonen und die betenden Menschen. Vorne am Stehpult liest ein Mann mit hörbarer Stimme und mit Blick auf die Mutter Gottes aus einem Buch. Die Kirchenbänke sind leicht verschoben, damit sich die Anwesenden im Gebet auf den Boden setzen oder knien können. Ich wähle diskret die hinterste Bank neben der Kirchentür. Vor mir sitzt ein Mann am Boden mit ausgestreckten Füssen in Richtung Ausgang und liest für sich aus einem kleinen Buch. Neben einer stehend betenden Frau weiter vorne, sitzt eine Frau im Gebet versunken am Boden, daneben ein Kind. Die Kirchentür öffnet sich. Ein Mann betritt die Kirche mit einem Gebetsteppich unter dem Arm. Wie alle anderen auch, bedeckt er sich mit einem weissen Tuch. Er legt seine Gebetsunterlage neben dem Mann am Lesepult auf den Boden und beginnt zu beten. Er kniet, berührt mit der Stirn den Boden, steht auf und wirft die Hände über seine Schultern, und kniet sich wieder hin und steht wieder auf, immer wieder.

Ich falte meine Hände und danke Gott, dass ich dies miterleben darf. Alle beten. Niemand schaut auf mich. Ich spüre, dass auch mein Gebet und meine Art des Betens willkommen sind. Leise verlasse ich die Kirche mit Blick auf meine Schuhe. Sie sind noch da und tragen mich nach Hause. In meinem Kopf aber drehen sich die Gedanken. Wenn es eine liberale Gebetsgemeinschaft gibt, dann konnte ich diese hier erleben. Wären wir mit dieser Vielfalt des Betens nicht überfordert. Ich freue mich auf die Karwoche, die Osternacht und auf das Osterfest.

verfasst von Roland Bialek, Präsident der Kirchgemeinde Buchs-Rohr

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

2 Kommentare

  1. Lieber Herr Bialek
    Herzlichen Dank für den Einblick in eine andere Kultur.
    Selber durfte ich „Gebetserfahrung“ bei Muslimen machen, welche Parallelen zu ihrer Erzählung haben.
    Ein kultureller Austausch – einander kennenlernen – hilft einem friedlichen Miteinander. Es ist nicht immer einfach, schliesslich ist das Leben nicht immer einfach.
    Meine Erfahrung zeigt, Akzeptanz und Respekt ernten Liebe und Vertrauen.
    Danke für Ihre Offenheit.

  2. zuerst will ich die andacht nicht stören. das wort „liberal“ veranlasst mich aber doch, den gedanken zu äussern, der sich bei mir eingestellt hat: religionsübergreifend. östliche religionen hätten etwas dazu zu sagen, wie man sich auf den boden setzen kann. ein austausch könnte dazu beitragen, dass man sich dabei körperlich nicht schädigt, wie zb beim knien in der katholischen kirche schon die knie geschädigt wurden. ähnliches auch andernorts. gibt es neben dem noch nicht beten können ein nicht mehr beten können? zu recht nicht mehr wollen? wie sähe eine woche aus, wie hiesse sie, an der auch die teilnehmen, die, ohne gebetsfeindlichkeit, nicht (mehr) von gebet sprechen wollen. sie hätten zum erstgenannten „wie“ auch noch etwas zu sagen. „panta en pasin“ (alles in allem) ist, ohne das von paulus vorangestellte theόs (gott, vater), das es zu einem unvollkommenen teil eines unvollkommenen erkennens macht, der unübertreffliche ausdruck des vollkommenen. mehr schon jetzt als noch nicht.(1kor 15.28, 13.8ff)

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