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Leben ist Wandel

Foto: Leben ist Wandel

Kürzlich las ich, dass unser Körper über Stoffwechsel, Verdauung und Atmung, den grössten Teil seiner Bestandteile mit der Umwelt austauscht: Sauerstoff, Proteine, Zucker, Wasser, Mineralien. Die Zahl habe ich mir nicht notiert, aber ich war beeindruckt schon allein von der beträchtlichen Zahl an Molekülen, die ein Mensch täglich an seine Umwelt abgibt, beziehungsweise aus ihr aufnimmt.

Dieser tägliche Umbau am lebendigen Körper geht so weit, dass in uns im Laufe einer Lebensspanne kaum noch ein Molekül dasselbe ist, das am Anfang im Körper drin war. Wir wechseln uns im Laufe eines Lebens fast total aus.

Körper, die keinen Stoffwechsel mehr betreiben, kann man als tot bezeichnen. Ohne Austausch mit der Umwelt sterben wir.

Dies gilt nicht nur auf die Moleküle bezogen, sondern auch im seelisch-geistigen Aspekt unseres Lebens, der von den körperlichen Prozessen wohl weniger getrennt ist, als wir gemeinhin denken. Wenn wir im Austausch mit anderen sind, von deren Erfahrungen lernen, neue Ideen aufschnappen können, unsere Gedanken und Gefühle ausdrücken und weitergeben können, fühlen wir uns lebendig. Wenn wir uns von anderen geliebt fühlen, können wir unser lebendiges Potential entfalten.

Stoppt dieser Austausch auf der molekularen und geistig-seelischen Ebene, verabschiedet sich ein Organismus vom Leben und wendet sich dem Sterben zu, beginnt er sich aufzulösen und seine Bauelemente anderen, lebendigeren Organismen zur Verfügung zu stellen. Und mit dem Tod tritt Verwesung ein.

Ich wünsche mir eine Kirche, die mit Freude an den vielfältigen Lebensprozessen teilnimmt und unsere Welt mitgestaltet, sich aber auch auf sie einlässt.

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Verfasst von Simon Pfeiffer

Als ehemaliger Gemeindepfarrer auf der Fachstelle Pädagogisches Handeln, als miterziehender Vater in Teilzeitanstellung, als christlich geprägter Theologe mit Islamwissenschaftsstudium und Germanist mit Vorliebe für Mittelalter, Krimis und Fantasy lese und höre ich vielerlei. Gerne erprobe ich neues Wissen im Dialog. Und sehr gerne denke und spüre ich über Grenzen hinweg. Ich arbeite mit in der Arbeitsgruppe 1 "Inhalt und Botschaft".

3 Kommentare

  1. Eine Kirche soll mit Freude an den vielfältigen Lebensprozessen teilnehmen und die uns geschenkte Welt mitgestalten, sich auch auf sie einlassen und sich dennoch den biblischen Massstäben getreu abgrenzen. Das Christentum hatte in seinen Anfängen eine absolute Sonderstellung gegenüber den Religionen: Die Religionen verlangen von den Menschen, etwas zu tun: Dass sie sich anstrengen, um … zu erreichen, sich „höher“ zu entwickeln usw. Beim christlichen Glauben hingegen hatte Jesus Christus DAS Entscheidende getan!
    Heute versuchen also verschiedene Akteure, Frauenrechtlerinnen,… wie noch nie zuvor, das Christentum mit den Religionen und deren Regeln zu vermischen: Der Weizen wird so zur Spreu geworfen! Obwohl Jesus Christus den Weizen von der Spreu trennen wird (Mt 3,12).

    • Lieber Herr Barrer.
      Wenn ich in den Evangelien lese, sehe ich Jesus als einen Menschen, der immer wieder Trennendes überwunden hat, Vorschriften missachtet, Grenzen des Denkbaren überschritten. Menschen in allen Spielarten des Lebens standen bei ihm im Vordergrund.
      Wenn wir jetzt Mt 3,12 lesen, sehen wir da einen Jesus, der trennt. Aber was trennt er wovon? Spreu vom Weizen. Spreu ist das, was die Körner am Halm vor dem vorzeitigen Gefressenwerden schützt. Nach der Reife des Korns ist Spreu überflüssig. Das Korn fällt auf den Erdboden und falks möglich treibt es Wurzeln in den Untergrund, nimmt da Mineralien auf, streckt Halm und Blätter der Sonne entgegen um selber Sonnenenergie in Essbares zu verwandeln. Unter dem Boden schliessen sich die Wurzeln am Mykorrhiza-Netzwerk an, fallls es vom Landwirt noch nicht zerstört wurde. Kurz, das Korn gedeiht nur, wenn es sich mit seiner Umwelt verbindet und sich seine Erb:innen weiterentwickeln. Dann ist sogar gut, wenn ein grosser Teil der Körner von Vögeln, Kleintieren und Menschen gegessen werden, die Gott ja aus seiner grossen Hand speist. Über den Verdauungstrakt fallen sie dann als Dünger für andere Körner auf den Boden.
      Die Spreu, dasjenige, was das Korn abkapselt, sich nicht verbindet, nicht mehr auf Umwelteinflüsse reagiert und nichts Neues hervorbringt, die Spreu ist das, was bei Jesus in den Ofen geworfen wird.
      In meiner Wahrnehmung geschieht aktuell genau das, dass die abgestorbene Spreu vom fruchtbringenden und nahrhaften Weizen geschieden wird. Meine Befürchtung ist eher, dass Kirchen, die sich nur an der Vergangenheit orientieren, der Worfschaufel zum Opfer fallen werden.

  2. „man kann nicht zweimal in denselben fluss steigen“, wird heraklit meist zitiert. in einem anderen zitat, sagt er es genauer: „wir steigen in denselben fluss und doch nicht in denselben.“ so ist unser körper ein fliessgleichgewicht: „alles fliesst“ (heraklit), und doch bleibt die gestalt insofern dieselbe, als sie wiedererkennbar ist. „wechsel und wandel“ – so charakterisiert fritz riemann die hysterische persönlichkeitsstruktur in ihrer neurotischen und nicht-neurotischen ausprägung. „prüft alles, das gute bewahrt.“ (1thess 5.21) „stoppt dieser austausch, verabschiedet sich ein organismus vom leben.“ buddha starb während des lebens und erwachte. jesus verabschiedete sich immer wieder, um nachts am ölberg seine ruhe zu haben.

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