Verfasst von Simon Wälchli, Sozialdiakon der Kirchgemeinde Mellingen
Wie könnte das kirchliche Leben in einer grossen Kirchgemeinde aussehen?
Lutz Fischer hat in seinem Blogbeitrag von einer einzigen Kirchgemeinde Aargau gesprochen. Damit hat er bei vielen etwas ausgelöst. Ich denke, dass er einen sehr wichtigen Punkt angesprochen hat. Klein zu denken, macht in unserer Situation keinen Sinn. Es braucht, da bin ich mit ihm einig, grosse Kirchgemeinden, damit Strukturthemen offensiv angegangen werden können. Doch eine wichtige Frage ist, was das für das kirchliche Leben bedeutet. Dazu ein paar Gedanken: die Grundidee heisst Leuchtturm und Lagerfeuer. (Diesen Gedanken habe ich mal irgendwo gelesen, aber ich kann leider nicht mehr sagen, wo.)
Leuchtturm
Wenn Sie sich eine Kirchgemeinde vorstellen, die sich über ein grosses Gebiet erstreckt, dann braucht es einen Leuchtturm. Sprich einen Ort (oder zwei, drei), wo jeden Sonntag Gottesdienst gefeiert wird. Wo Konstanz herrscht. Wo grosse Projekte realisiert werden können. Wo man Energie investiert. Wo Menschen ansprechbar sind. Wo ausgestrahlt wird «hier ist Kirche». Wo gute, moderne und verschiedene nutzbare Gebäude sind. Wo online Content produziert wird. Wo Menschen ihren Glauben teilen. Der Leuchtturm soll sichtbar sein. Ein Anziehungspunkt
Lagerfeuer
In kleineren Orten ist das Stichwort Lagerfeuer. Dabei geht es um Initiativen, die von der lokalen Bevölkerung getragen werden. Ganz im Sinne des Priestertums aller Gläubigen. Zum Beispiel Hauskreise, Jugendtreffs, Abendandachten, Taizé Singkreise oder was auch immer den Bedürfnissen dieses Ortes entspricht. Die Ordinierten werden nicht überall im gleichen Mass Arbeitszeit investieren können. Sie werden diese Lagerfeuer coachen und begleiten. Kleine Projekte können innovativ sein. Sie sind agil und passen sich neuen Gegebenheiten an. Das Abstützen auf Freiwillige bedeutet, dass in Ortschaften, wo keine Menschen bereit sind sich zu investieren, auch kein kirchliches Leben mehr sein wird.
Gabenorientiertes Arbeiten
In einer grossen Kirchgemeinde mit vielen Angestellten, kann gabenorientiert gearbeitet werden. Ich stelle mir vor, dass eine grosse Kirchgemeinde auch Innovationsteams hat. Dass bedeutet, dass ein Team an einen entkirchlichten Ort gesendet wird, um dort in den nächsten Jahren kirchliches Leben mit den Menschen am Ort zu fördern und zu entwickeln. Im Sinne von Fresh Expression of Church. Von den Erfahrungen können andere profitieren. Projekte, die selber stehen können, gehen weiter, andere vergehen wieder.
Internet als Chance
Die Möglichkeiten, sich online zu treffen, ist eine weitere Chance. Willige aus dem ganzen deutschsprachigen Raum könnten beispielsweise bei Andachten auf Instagram oder via Videotelefonie mitmachen. Natürlich auch aus Übersee. So können auch Menschen, die ausgewandert sind mit unserer reformierten Kirche verbunden bleiben. Dafür braucht es Menschen, die eine Affinität für digitale Medien haben. Eine grosse Kirchgemeinde kann diese Art Leuchtturm bieten.
Kirchengebäude als Geldquelle statt Ressourcenvernichter
Der Fokus auf wenige Orte mit einem Leuchtturm hat Konsequenzen für die Kirchengebäude. Man muss sich die harte Frage stellen, welche Kirchen man behalten möchte. Die anderen müssen umgenutzt, vermietet, abgerissen und das Land im Baurecht abgegeben werden oder sonst irgendwie dazu beitragen, das kirchliche Leben mitzutragen. Darin liegt grosses Potenzial. Kirchengebäude sind oft an sehr guten Lagen. Aber das braucht Zeit, Beharrlichkeit und Expertise. Eine grosse Kirchgemeinde kann das leisten. Eine kleine kaum. Ein Leuchtturm braucht feste Mauern. Das Lagerfeuer nicht.
Der Preis
Wir werden es nicht schaffen, den kirchlichen Unterricht, die kirchliche Jugendarbeit und Seniorenarbeit weiterhin grossflächig anzubieten. Die Kirche wird sich auf strategisch ausgewählte Orte fokussieren müssen. Regionalisierter kirchlicher Unterricht und regionalisierte Angebote für verschiedene Altersgruppen.
Paulus als Vorbild
Der Apostel Paulus hat es zu seiner Zeit sehr ähnlich gemacht. Er ist in die Zentren gegangen und hat dort Menschen gewonnen, gecoacht und ist dann weitergezogen. Über Briefe blieb er in Kontakt. Das ist der Grundgedanke dieses Konzepts. Gott ist mit dieser Welt noch lange nicht fertig. Es gilt herauszufinden, wo er mit den Menschen unterwegs ist und einzustimmen.
Haben wir den Mut?
Vielleicht hört sich das für Sie wie ein Horrorszenario an. Ich sehe darin sehr viel Potenzial. Das Konzept, wie wir heute Landeskirche leben, hatte seine Zeit. Die ist am Ende. Aber Gott ist nicht am Ende und Kirche auch nicht. Haben wir den Mut Schritte in die Ungewissheit zu tun. Den Mut Fehler zu machen, zu lernen, auf Gott zu vertrauen. Wir sind in seiner Hand.
Verfasst von Simon Wälchli, Sozialdiakon der Kirchgemeinde Mellingen
für mich nicht ein „horrorszenario“, weil zu entfernt vom, sondern weil noch zu nahe am bisherigen. der vater das ein und alles. alles aus ihm, nicht auch aus ihr, geschweige denn aus allem. der einwand ha ruah (geist, hebr weiblich) verhebt nicht: gemäss der innertrinitarischen ursprungsordnung wie der sohn auch aus dem vater. „in seiner hand“: einerseits empfinde ich respekt, andererseits verwundert es mich nicht, dass das sehr viele nicht interessiert. thorsten dietz sagt am ende der folge von „geist.zeit“ zum thema „assistierter suizid“: „mit gott drüber schwätzen.“ gut im verhältnis zu dem vielen zwischenmenschlichen vorher. aber jesus hat es am ende auch versucht, und es ging nicht mehr. das ende der elternbindung. dahin müssen wir kommen, wenn wir alle miteinbeziehen wollen. leuchtturm – erleuchtung: das ende der unterteilung in „sein“ und „ihr“, „hand“ und ?. alles in allem.
Lieber Simon
Danke für deinen anregenden und gut portionierten und lecker angerichteten Text. Leuchtturm und Lagerfeuer sind mir auch schon begegnet. Leider finde ich die Quelle auch gerade nicht.
Sehr ansprechend finde ich die Lagerfeuer, wo in der Kirchenlandschaft hoffentlich eine bunte Vielfalt entsteht. Vielleicht braucht es ergänzend dazu noch wild herumwandernde „Spinner“ und Netzwerker:innen, die andere mit ihrer Be-Geisterung persönlich anstecken und Verbindungen herstellen in Schattenbereichen, wo die vorhandenen Leuchttürme nicht hinreichen. So wie Paulus es tat …