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Maria und Jesus als Zielscheibe

Einschusslöcher
Bild von efes auf Pixabay

Verfasst von Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg

In den letzten Wochen gingen die Wellen in den Medien hoch, nachdem die aufstrebende GLP-Politikerin und Zürcher Gemeinderätin Sanija Ameti mit einer Sportwaffe auf ein Bild von Maria mit Jesuskind geschossen, und das Ergebnis ihrer Schiessübung auf sozialen Medien gepostet hatte.

Es hat mich zutiefst erschüttert, dass so etwas geschehen kann. In einer Zeit, in der in Palästina, der Ukraine und anderen Kriegsgebieten der Welt mit Kriegswaffen auf lebende Mütter und Kinder, Väter und überhaupt auf schutzlose Menschen geschossen wird. Als Reformierter ist zwar für mich kein Bild heilig. Und doch hat mich der Anblick der zerschossenen Gesichter von Maria und Jesus auch als Christ sehr unangenehm berührt.

So richtig beschäftigt hat mich die Sache aber erst dann, als der Moderator und Komiker Stefan Büsser auf der Plattform X folgenden Spruch postete: «Die achso aufgeklärten Christen reagieren nicht mal soooo viel vernünftiger auf den Missbrauch ihrer Propheten-Bilder als die rückständigen islamistischen Fundis». Was war da gerade durcheinandergeraten? Büsser rückte aufgeklärtes Christentum in die Nähe «rückständiger islamistischer Fundis». Aufgeklärte Christinnen und Christen, zu denen ich mich zähle, empören sich zurecht eine Schiessübung auf eine Darstellung von Maria mit Jesuskind Menschen aber, die in der Manier «rückständiger islamistischer Fundis» reagieren (was auch immer wir uns darunter vorzustellen hätten), zählen keineswegs zu den aufgeklärten Christen. Viele muslimische Menschen hingegen, die sich mit Christinnen und Christen zusammen über diese Aktion empören, sind aufgeklärte, moderne und demokratisch gesonnene Menschen.

Und wenn schon die Aufklärung in diesem Zusammenhang bemüht wird: Auch ein atheistischer, aufgeklärter Mensch kann und müsste eigentlich eine solche Schiessaktion verwerflich finden. Wenn auf religiöse Symbole geschossen wird, so widerspricht dieses Verhalten dem wichtigsten moralischen Grundsatz der Aufklärung, wie ihn Immanuel Kant formuliert hat: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.» Meine Irritation gründet deshalb weniger in meinen religiösen Gefühlen als in meiner Sorge um den Zusammenhalt dieser Gesellschaft. Ich müsste mich genau gleich betroffen fühlen, wenn jemand auf den Koran, auf eine Torah-Rolle, auf eine Buddhastatue oder hinduistische Götterdarstellungen schiessen würde.

Was ich aber absolut verwerflich und einer demokratischen und offenen Gesellschaft unwürdig finde, ist die Hetzjagd, die auf Sanija Ameti im Nachgang zu ihrer Aktion eröffnet wurde. Der Druck, dem sie ausgesetzt ist, muss unerträglich sein. Sie und ihre Familie werden an Leib und Leben bedroht. Sie wird im Internet von einem ausser Kontrolle geratenen Cyber-Mob «zerstört», sexistisch, rassistisch und islamophob beschimpft. Das muss aufgeklärte Christinnen und Christen noch mehr empören als das, was Sanija Ameti gemacht hat. Auch wenn Sanija Ameti unglaublich respektlos und dumm gehandelt hat, steht der Preis, den sie dafür bezahlen muss, in keinem Verhältnis dazu.

Unser Gemeinwesen in Gesellschaft, Staat und Kirche, ist auf fairen und respektvollen Umgang angewiesen, auch mit Menschen, deren Verhalten uns ärgert. Als Kirche können wir darin Vorbild sein, indem wir das Anders-Sein der Anderen als Vielfalt und Bereicherung verstehen, indem wir das, was ihnen wichtig ist, nicht respektlos behandeln und indem wir Ärger nicht in masslose Empörung steigern, sondern als Anlass zu klärendem Gespräch nehmen.

Verfasst von Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

4 Kommentare

  1. Ignorant. Saublöd. Nicht ansatzweise diskursfähig. Mit Isamismus hat’s wohl nichts zu tun. Wohl aber mit Grenzen. Was sind die Konsequenzen? Shitstorm? Betretenes Schweigen? Theologische Gedankenspielereien jenseits von Bilderkitsch? Eigenverantwortung würde ich mal ganz oben an die Skala setzen und einer Frau mit der Intelligenz von Sanija Ameti zumuten, sich über die ganze Bandbreite an möglichen Reaktionen im Vorfeld Rechenschaft zu geben. Zugegeben: Nicht jede Reaktion ist verhältnismässig, geschweige denn entspricht sie christlichen Wertmassstäben. Mein Mitgefühl mit der Schützin hält sich dennoch in engen Grenzen. So etwas tut man einfach nicht, geschweige denn noch posten. Wie dämlich und völlig unangemessen ist das denn? Für mich kommen als mögliche Erklärungen nur ein kurzzeitiger kognitiver Aussetzer oder aber eine bewusste Abkehr von jedweder christlicher Kultur in Frage. Damit steht sie in unserer heutigen Gesellschaft keineswegs allein. Die Polarisierung ist auch bei uns Tatsache und dass sich Sanija Ameti als Anheizerin dafür hergibt, ist für mich unentschuldbar und ausserordentlich bedauerlich.

  2. Ich würde mich genau gleich betroffen fühlen, wenn ein «Christ» auf den Koran, eine Torah-Rolle, eine Buddhastatue oder hinduistische Götterdarstellungen schiessen würde. Sanjia Ameti ist Islamistin, in der Schweiz aufgewachsen, blitzgescheit, 32, studierte Juristin am Doktorieren, Sportschützin in einem Verein, gewählte Politikerin etc. Sie hat nicht einfach auf ein «Bild von Maria mit Jesuskind» geschossen, sie hat auf deren Köpfe gezielt, geschossen und getroffen. Das sagt alles. Offensichtlich ist sie in der Schweiz noch nicht «angekommen». Solche Schüsse zerstören unsere demokratische, christliche Gesellschaft. Solche Leute können, dürfen das Volk nicht vertreten. Dass es bloss eine grosse Dummheit gewesen sei, mag «glauben», wer will. Und solche Leute willkommen heissen. Ich nicht.

  3. in der reformation, gerade in zürich, ging der respekt vor jesus so weit, dass seine bildliche darstellung verboten war. während des bildersturms wurden bilder zerschlagen (ikonoklasmus). auf ein bild zu schiessen, geht weiter. aber es wurde nicht auf ein original geschossen, sondern auf das bild eines bildes. und schon gar nicht auf die darauf abgebildeten menschen selbst. sehe ich ein bild wie dieses von jesus und seiner mutter, wie man sie immer wieder sieht, spüre ich eine gewisse aggression: das kann doch nicht sein, dass die so ausgesehen haben! was ich in der diskussion vermisse, ist die theologische aufklärung darüber, was inkarnation, die fleischwerdung des wortes, ist. die meinung des nicht-empörten: sanija ameti hat ein kunstwerk geschaffen, dessen entstehung krass ist. aber sie stellt in meinen augen einen jesus dar, der nicht erst als erwachsener gekreuzigt, sondern bereits als kind durchlöchert wird und damit dasselbe erleidet wie viel zu viele kinder es in vergleichbarer weise erleiden. das bild spricht mich so sehr viel mehr an als das original. es spricht mir, war mein gedanke, aus dem herzen. damit unterstelle ich nicht, dass die künstlerin, wie ameti in anderem zusammenhang genannt wird, das so wollte. ich unterstelle keinesfalls, dass sie es so verstand oder versteht wie ich. aber ich finde, andere aspekte zu sehen, als sie bisher in der diskussion – soweit ich sie überblicke – zum ausdruck kommen, ist unabdingbar. und jesus hat, als er selbst exekutiert wurde, nicht zur gewalt aufgerufen. der gedanke ist mir nicht fremd, dass er das durchschossenen bild befürwortet. gerade auch, weil die löcher nicht mit einer schere nachgemacht sind. aber eben nicht, um zu töten, sondern a n s t a t t zu töten.

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