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Thesen zur Erneuerung der Kirche

Kirchenbänke Gottesdienst

Verfasst von Martin Hess

Beginnend mit dem Gottesdienst lässt sich Kirche nicht erneuern.

Man kann meiner Meinung nach nicht mit einem besseren, attraktiveren, anderen Gottesdienst(stil) wieder mehr und andere Leute ansprechen und dazu animieren, dass sie regelmässig zum Gottesdienst kommen. Das ist illusorisch. Der Megatrend in der Gesellschaft spricht dagegen.

Ansetzen muss man an einem ganz anderen Ort: Bei der Diakonie und bei der Bildung.

Die Kirche muss durch ihre diakonische Praxis auffallen und Interesse wecken, bei den Menschen, die durch das soziale Engagement der Kirche anzusprechen und zu sensibilisieren sind. Die diakonische Praxis der Kirche darf sich nicht im «Suppentag» und in der Altersarbeit (Seniorenanlässe und -besuche) und eventuell noch in einem Beitrag an die regionale Jugendarbeit erschöpfen. Da gehörte eindeutig noch mehr und noch anderes dazu, auch um überhaupt damit aufzufallen und Aufsehen zu erregen. (N.B.: Ich habe 7 Jahre mit Pfr. E. Sieber zusammengearbeitet)

Anschliessend daran geht es darum, den Hintergrund zu erklären, die kirchliche, glaubensmässige und theologische Basisbildung nachzuholen. Da besteht ein riesengrosser Nachholbedarf. Speziell die reformierte Kirche kann niemals auf ansprechender Liturgie und auf «hilfreiche» Religiosität aufbauen. Reformierte Kirche ist im Wesentlichen nicht Liturgie sondern Nachfolge, und Nachfolge braucht Wissen, Kenntnisse, Bildung und reflektierte Überzeugung mit Jesus und seiner Botschaft auf dem richtigen Weg zu sein.

Gerade in der modernen, aufgeklärten, individualisierten und säkularisierten Welt heute ist diese Grundlage unerlässlich. Einfach mitlaufen aufgrund gesellschaftlicher oder kirchlicher Konvention geht nicht mehr.

Und erst darauf aufbauend kann die Einsicht reifen, dass es so etwas wie Kirche braucht und so etwas wie Gottesdienst, dass Christsein als Einzelmaske nicht geht, dass das Gebet, das Abendmahl und die biblische Bildung dauernd zu einem praktizierenden Christsein dazugehören.

Beitrag verfasst von Martin Hess

Pfr. Martin Hess war in verschiedenen Funktionen in und ausserhalb der Kirche tätig und bis heute Verweser in verschiedenen Kirchgemeinden.

Weitere Gedanken von Martin Hess zur Erneuerung der Kirche: https://hesstheol.ch/wp-content/uploads/2021/07/Die-Kirche-erneuern.pdf

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

8 Kommentare

  1. Beginnend mit Gottes Dienst lässt sich Kirche erneuern.

    Dies mein Verständnis, meine Hoffnung, mein Vertrauen.

    Nach wie vor jedoch stolpere ich über Begrifflichkeiten. Wir haben, aus «Gottes Dienst», ein zusammengesetztes Wort und damit den «Gottesdienst» (am Sonntagmorgen) gemacht? Dies verengt, meinem Verständnis nach, was zur Entfaltung drängt. Da ist, so meine Sicht, durchaus zu Beginn Gottes Dienst. In der Schöpfung, am Leben, an uns Menschen. Und nachfolgend die Einladung, statt allem Möglichen diesem dienenden Gott zu dienen (Nachfolge).
    Sonntagmorgen, oder irgendwann, wäre dann recht eigentlich Gottesdienst-Feier?

    Wir entwerfen im Zuge der geplanten Reform individuell Bilder, wie und was Kirche sein soll. Doch das Wort „Kirche“, dessen Etymologie, lässt ein (Aus-)Schwärmen doch gar nicht zu?

  2. Der Gottesdienst ist eine Zusammenkunft von Menschen mit dem Zweck, das Evangelium zu verkünden (ich weiss, das tönt altbacken und frömmlerisch, ist nicht mehr „sexy“), mit Gott in Verbindung zu treten, mit ihm und den Kirchgemeindegliedern Gemeinschaft zu leben und Sakramente zu empfangen. Darum gehört er immer noch zu den Schlüsselstellen des Gemeindelebens. Kernpunkt ist eine gut vorbereitete, intellektuell und theologisch anspruchsvolle, inhaltlich und akustisch (!) verständliche Predigt sowie ein feierliches Ritual, das Kontemplation ermöglicht und aufrichtet. Leider wurde ich in den letzten Jahren diesbezüglich fast ausnahmslos enttäuscht. So, dass ich in andere Gemeinden oder am Sonntagabend nach Zürich in die Wasserkirche „flüchten“ musste. Kaum verständliche Kirchenbeamten-Dienst-nach-Vorschrift-Gottesdienste erbauen mich (und die Gemeinde!) nicht.
    Dann kostet es die Kirchen heute wenig, im linken Mainstream zu schwimmen. Man geht dabei keinerlei Risiko ein, linke Ideen zu vertreten. Ja, es gehört zum guten Ton. Bei „rechtem“, bürgerlichen Gedankengut sieht es ganz anders aus. Vermeintlich solidarische, gut gemeinte Ideen sind in der Kirchengesellschaft weit verbreitet. Dabei wird unverhohlen gegen die bösen Konzerne, den Militärdienst, gegen Waffenexporte, gegen die Industrie- und Bankenwelt Stimmung gemacht. So einfach geht das, zu den „Guten“ zu gehören. Gerne flüchtet man dann zu simplen Ansichten: Den Max-Havelaar-Kaffee gilt es den Nespresso-Kapseln vorzuziehen; auf dass das Gewissen rein bleibe, fast so wie einst beim Ablass. In den achtziger Jahren waren es die damals politisch korrekten Bananen aus der „Freiheitsrepublik“ Nicaragua. Die fröhlich enthusiastierten Drittweltfreunde verkauften die Terre-des-Hommes-Eier und den Curry für die Basler Mission. Dies immer mit der Gewissheit, dass es die Kirche ja gut meint und damit Gutes tut. Dass dabei die kirchlichen Verlautbarungen immer entweder zu spät und mehr oder weniger schlecht informiert daherkommen, fördert deren Glaubwürdigkeit kaum. Dass die Kirchen auf gesellschaftspolitische Züge aufspringen, ebenso wenig. Wichtige gesellschaftliche Fragen wie Samenspende und Leihmutterschaft werden elegant ausgelassen, denn sie passen nicht in die Agenda. Tatsächlich wäre eine Besinnung auf die elementaren Freiheitsrechte vielleicht nicht schlecht. Und sicher auch auf das Evangelium, das zuerst vor der eigenen Verabsolutierung warnt: Wie ging das mit dem Balken im Auge? Konservative Mahner:innen sind in der Minderheit und werden häufig in Kirchengremien ignoriert. So läuft die z. T. feministisch, linksdominierte Kirche mit ihrer Pfarrpersonenschaft Gefahr, jegliche Resonanz zu verlieren.
    So, ich habe lange genug den „Gottesdienst“ und die auch wichtige Diakoniearbeit gestört. Darum bin ich „draussen“, nachhaltig aber betrachte und verfolge diese Kirchenreform 26/30 ehrlich interessiert und vor allem um die Zukunft der Kirche besorgt aus der Distanz weiter.

    • Lieber Yves, auch ich halte den Gottesdienst für zentral und wichtig für jede christliche Gemeinde. Es hat noch nie eine christliche Gemeinde gegeben, die nicht zum Gottesdienst zusammengekommen ist. Ich sage nur, die Kirche hier wird immer kleiner und älter (das ist nicht auf der ganzen Welt so). Und ich meine, diese Tendenz umkehren lässt sich heute hier nicht mehr vom Gottesdienst aus.

  3. zu den verlinkten weiteren gedanken: habe mich immer wieder etwa beim gedanken ertappt, dass dort, wo jesus wirkt besserer arbeitsbedingungen anzutreffen sind als dort, wo buddha wirkt. andererseits bin ich im lotussitz ohne sitzkissen, symbold für das wenige, recht gut durch lockdown&co gefahren, konditioniert durch jahrzehnte sitzstreik gegen die aberwitzige mobilität. neben dem sozialen aspekt der ökologische. und da habe ich mir auch immer wieder etwa gesagt: von buddha her kommt da nicht weniger als von jesus, der sehr mobil war, während buddha uns zeigt, wie man dort bleiben kann, wo man ist. natürlich kann es nicht darum gehen, durch anpassung an die gesellschaft unser proprium, unser eigenstes, zu verlieren. paulus hat da eine deutliche sprache gesprochen: „richtet euch nicht nach dieser welt. . .“ (rm 12.1f) aber andererseits können Sie vielleicht verstehen, dass ich darauf komme, dass auch andere ihr proprium haben, und die wahrheit nicht in einem, sondern in der alle propria verändernden vereinigung aller propria besteht. „das vollkommene“, das paulus im rm 12 von uns will, besteht nicht in dem von ihm als unvollkommen qualifizierten erkennen. (1kor 13.9-12, 15.28) wenn ich recht verstehe, ist es zwar, aber nicht nur die verkündigung des evangeliums von jesus christus, die unsere kirche als ihren grundauftrag definiert hat. war jesus ein krieger, der mit dem schwert den kaiser ablösen wollte? (mt 10.34) hat er das unmögliche gewollt? und ist der, der uns nach paulus „zur weisheit gemacht worden ist“, der auferstandene? (1kor 1.30) wurde ihm das nicht widerstehen der bergpredigt nach der grausamen niederschlagung des aufstands im jahre 70 angedichtet? (mt 5.39) und ist hier gerade dichtung wahrheit? ich folge ihm nicht einfach nach, sondern erwarte von ihm eine wende um 180°, den dialog auf augenhöhe, die er längst vollzogen und an dem er sich nach verlassen seines begrenzten kontexts an auffahrt mehr als zweitausend jahre lang beteiligt hat. werden dieser umfassenderen einsicht kirche und evangelium entegegengestellt oder wird sie darauf reduziert, ist die konsequenz die instinktive oder reflektierte abwendung.

  4. Danke für die Anregungen. Bin einverstanden: Erneuerung beginnt eher nicht beim Kopf (GD), sondern vom Boden her (Basisarbeit, Diakonie).
    Und Basis-arbeit geschieht [oder eben nicht] auf mehreren Ebenen:
    A) bei jedem selbst [wie bin ich unterwegs?]
    B) innerhalb der kirchlich Aktiven [wie gehen wir miteinander um? Irgendwie ‚einladend‘?]
    C) wie handeln wir [un-]sichtbar gegen aussen?
    Ich vermute, die Ebenen A & B gehen leicht vergessen..

    • Ja, aber daran denken: Die Arbeit an der Basis (Diakonie) braucht nicht weniger Kopf, sondern eher mehr, Verstand, Kenntnisse und Erfahrung. Das gibt es alles bei den Leuten und den Profis in einer Gemeinde.

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