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Wer trägt die theologische Verantwortung?

Prof. Dr. Ralph Kunz bei seinem Vortrag bei der Kirchenratsretraite im Kloster Kappel.
Prof. Dr. Ralph Kunz (Mitte) bei seinem Vortrag bei der Kirchenratsretraite im Kloster Kappel.

Bei vielen Entwicklungen im Kirchenreformprozess – sei es bei interprofessionellen Teams oder bei einem themenorientierten Gemeindeaufbau, wie von der Arbeitsgruppe Grossfusion vorgesehen – stellt sich die Frage nach der theologischen Verantwortung. Doch was ist damit genau gemeint? Und: Wie kann das gelebt werden? Diese Fragen stellte sich auch der Kirchenrat. Als Abendprogramm bei seiner Retraite am 29. April 2025 lud der Kirchenrat daher Prof. Dr. Ralph Kunz, Professor für praktische Theologie an der Universität Zürich, zu einem Vortrag mit anschliessender Diskussion ein.

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Ralph Kunz durch Claudia Daniel-Siebenmann, Leiterin Kommunikation

Gemeinsam über die Zukunft der Kirche nachzudenken – genau darin zeige sich theologische Verantwortung, sagte Ralph Kunz zu Beginn des Vortrags und führte anschliessend aus, was er damit meint: Theologische Verantwortung sei die geteilte Aufgabe der Gemeindeleitung aus Kirchenpflege und Pfarrpersonen sowie der Kirchenleitung.

Aus Sorge, das Pfarramt werde ausgehöhlt, wenn andere Berufe pfarramtliche Aufgaben übernehmen, versuche man Kompetenzen zu definieren. Doch dies greife zu kurz: Die Frage, wer taufen oder das Abendmahl leiten dürfe, reduziere die Diskussion über die theologische Verantwortung erheblich. Denn: der Pfarrberuf stehe der Gemeinde nicht nur vor, sondern er stehe auch hinter der Gemeinde, «also hinter der Idee, dass die Gemeinde selbstständig, kundig und mündig theologisieren kann.» Die Gemeinde sei miteinander Leib Christi, müsse sich entsprechend als theologische Gemeinschaft verstehen und könne Theologie nicht an die Pfarrperson delegieren.

Aufgaben können jedoch delegiert werden: Alle Glieder der Kirche, die dazu beauftragt sind, dürften taufen, konfirmieren oder predigen. Weil es ein öffentlicher Dienst ist, stehe die Kirche als ganze Institution dafür gerade. Nicht die einzelne Gemeinde, sondern die Kirche entscheide über die Zulassung zu den verschiedenen Aufgaben und bürge dafür, dass diejenigen, die eine «license to bless» haben, auch theologisch kompetent seien, «dass diejenigen, die im Namen der Kirche religiöse Feuer entzünden, auch einen Funken evangelischen Verstand mitbringen.» Dies sei Aufgabe der Landeskirchen und des Konkordats und erfordere eine sorgfältige Balance: Sei die Zulassung zu restriktiv, lande man bei einem quasi katholischen Amtsverständnis und ein Bildungsstand werde sakralisiert und sakramentalisiert. Sei die Zulassung grosszügig, setze dies nicht nur das Leben der Gemeinden, sondern auch den Ruf der Kirche als Institution aufs Spiel.

Wichtiger als die Frage, wer welche Aufgaben übernimmt, seien die Teamkultur und die gemeinsam gelebte Spiritualität. Theologisieren sei der Beruf der Pfarrperson, den sie aber nicht allein ausführe, sondern indem sie es auch anderen ermögliche, gemeinsam zu theologisieren – im Gottesdienst, in der Erwachsenenbildung, im Bibelkreis. «Die reformierte Kirche ist einer der wenigen Orte in der heutigen Gesellschaft, wo öffentlich über Gott und die Welt geredet (und nicht geplaudert) wird. Das ist ein geschichtliches Erbe. Verprassen wir es nicht für ein Linsengericht. Es zu verwalten heisst, die theologische Verantwortung für das ‹evangelisch› wahrzunehmen, das wir aus werbetechnischen Gründen aus unserem Logo gestrichen haben. Nur ‹reformiert› ist kürzer, aber auch verkürzt.», schloss Ralph Kunz seinen Vortrag.

Zusammenfassung des Vortrags von Prof. Dr. Ralph Kunz durch Claudia Daniel-Siebenmann, Leiterin Kommunikation

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Eingestellt von Informationsdienst der Landeskirche

Der Informationsdienst der Landeskirche, Claudia Daniel-Siebenmann und Barbara Laurent, leiten und administrieren den Blog der Reformierten Landeskirche Aargau.

3 Kommentare

  1. bei seiner auffahrt, die wir morgen feiern, kam jesus darauf, dass hinter der erde wieder himmel hervorkommt, und er fand sich – die andere selbstfindung – in einer grossen, mehr als raum und zeit seienden erleuchtung.

    sag‘ ruhig, dass ich spinn‘
    mit verschiedenen methoden
    kann ich dir beweisen
    dass voll bei verstand
    ich bin

    die zweiheit von himmel und erde war aufgehoben im begriff des universums. die giordano bruno stiftung hat schon vorgeschlagen, den auffahrtstag „evolutionstag“ zu nennen. das, finde ich, wäre theologisch verantwortbar. universum heisst „alles in eines gewendet“, alles in einem: ein aus sich selbst seiendes, sich selbst ereignendes, sich mit sich selbst vereinigendes, also ein sich aus sich selbst entwickelndes. „das ist das evangelium“, sagt zenkey shibayama, „dass alle zur erleuchtung kommen können.“ „über die zukunft der kirche nachdenken“ heisst auch, die gedanken auf die frage zu lenken, ob die kirche ihre zukunkft in sich selbst hat, oder ob sie, wie jesus bei seiner auffahrt, ihren begrenzten kontext verlassen und in einen internationalen und universalen dialog treten soll. ist es verantwortbar, jesus den eingeborenen sohn gottes und, wie in der vorangehenden diskussion, buddha eine „schillernde gestalt“ zu nennen? aber erfreulich, dass es zu einer kleinen diskussion gekommen ist. „gemeinsam. . .theologisieren – im gottesdienst, in der erwachsenenbildung, im bibelkreis“ – und unter den in einem zweiten sinne ins netz gegangenen.

    • Ich gehe davon aus, dass wir über die Reform einer reformierten Kirche nachdenken, das heisst, einer nach der Schrift reformierten Kirche. Die Schriftgemässheit steht über und unter allen andern möglichen Aspekten und Motiven, insbesondere über jeder kirchlichen Tradition und jeder religiösen Spekulation. Allgemein „religiöse“, buddhistische oder synkretistische Spekulation ist jedem Menschen im Sinne der Glaubens- und Gewissensfreiheit zugestanden, als Leitidee für die Kirchenreform ist sie am falschen Ort. Solche Spekulation Jesus zuzuschreiben ist m.E. exegetisch gesehen krass daneben. Dafür sehe ich beim (irdischen) Jesus in Leben und Lehre nicht den geringsten Ansatzpunkt.

      • nun sagt aber diese schrift: „ich bin unvollkommen“ und: „das einzige, was für immer bleibt, ist die liebe.“ „ja, könnte jemand sagen, die vereinigung von vater, sohn und geist.“ aber das, sagt die schrift, sei ja gerade unvollkommen. also die vereinigung von allem. das legt dann wiederum nahe, die drei worte „alles in allem“ als „überhaupt alles in überhaupt allem“ zu verstehen, womit sie nicht auf die jüdisch-christliche tradition beschränkt sind. karl barth, der sagte: „lesen und nochmal lesen“, nämlich, was in der schrift steht, sagte dann im hohen alter, vielleicht müsste er seine kirchliche dogmatik nochmal neu schreiben, mehr im dialog mit (den? ich zitiere aus dem gedächtnis) andern religionen. eberhard jüngel, darsteller und weiterentwickler der theologie karl barths, der erste träger des karl barth preises, mit mehr als 500 studierenden in der vorlesung, fragte ich mitte achtziger: „was heisst das theόs panta en pasin, gott alles in allem? er konnte es mir nicht sagen. ecclesia semper reformanda, die kirche muss andauernd reformiert werden, heisst auch theolόgia semper reformanda, die theologie muss andauernd reformiert werden. jesus sah, nehme ich an, nachts auf dem ölberg einen tief erleuchteten vater. für die damaligen war der vater das ein und alles. für sie verstand es sich bei seiner auffahrt von selbst: jetzt ist er zu seinem vater heimgekehrt. das unbekannte macht sich bekannt, indem es uns bekanntes auf sich selbst projiziert. heute würden viele sagen: dass der vater das ein und alles ist, „das wäre mir nicht bekannt.“ für die vereinigung von allem ist er unabdingbar, aber er ist sie nicht. bevor wir sagen, jesus christus sei kategorial anders, müssen wir nach seinem verhältnis zu andern fragen. bevor wir sagen „sola scriptura“ (allein durch die schrift) müssen wir nach ihrem verhältnis zu andern schriften fragen. da entdecken wir, dass wir bezüglich des wandelns auf den wasser mit der frage nach der oberflächenspannung des wassers auf dem see genezareth auf schlüpfrigem pfad sind. „wenn du zur erleuchtung kommst, wirst du sein wie einer, der auf dem wasser wandelt“, wie in einer anderen schrift steht. der wandel auf dem wasser demnach die alternative zu klimawandel, weil wir dank des wandels auf dem wasser an land mit viel weniger zufrieden sind. (1kor 13.8ff, 15.28, 1joh 3.2, 4.16, joh 14.6)

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